Von Matthias Bosenick (01.08.2017)
Edgar Wright scheitert am Genre. Er ist immer dann am besten, wenn er darauf pfeift, und das unterlässt er bei „Baby Driver“ leider. Die Folge ist, dass das Drehbuch keine Haken schlägt, sondern konventionell den verfolgungsjagdlastigen Actionfilm um einen juvenilen gutherzigen Zufallsbeteiligten bedient. Auch vermisst man Wrights typischen Filmstil, den er hier indes gegen in der Tat großartig komponierte Choreografien tauscht: Der Film geschieht im Takt der Musik, die die Titelfigur und damit der Zuschauer unablässig im Ohr hat. Immerhin gut gemacht, aber ansonsten Stangenware.
Ed Wright hat Bock auf Mucke, das belegt der Film in jeder Sekunde; auch im Titel, der nach einem Song von Simon & Garfunkel benannt ist. Hauptfigur Baby hat permanent seinen produktplazierten iPod im Ohr, um damit seinen Tinnitus zu übertönen, und Wright schneidet seinen Film in vielen Sequenzen atemberaubend einfallsreich um den Soundtrack herum. Baby hört Punk, Post Punk und New Wave, Soul, Funk und Classic Rock, der Soundtrack eint also Geschmackssicheres und Guilty Pleasures. Als Musiknerd, der Jon Spencer, The Damned, Beck und Jonathan Richman verehrt, hat man das Recht, auch an Queen, den Commodores und Focus seine Freude zu haben, will er sagen. Die Attitüde ähnelt der des Quentin Tarantino, und dessen filmische Coolness will Wright auch einfangen. Nur sind dafür bei aller blutgetränkten Benzinaction die Farben zu schwach und die Figuren und Dialoge zumeist zu flach.
Zwar sind es trotzdem verbale Austausche, in denen ein Teil des Filmwitzes steckt, doch wirken die Dialoge an vielen Stellen zu bemüht cool und letztlich gewöhnlich. Die Gangster sind zu stereotyp, um in sich gebrochen zu sein und damit nachhaltig als außergewöhnlich im Gedächtnis zu bleiben; ein Keyser Söze, Anton Chigurh oder Marsellus Wallace sind von einem ganz anderen Kaliber. Einzig Kevin Spacey als Gangsterboss Doc strahlt eine gewisse erinnerbare Souveränität aus, die anderen sind plappernde Kugelfänger. Die andere Hälfte der Witze nehmen die Popkulturzitate ein, nicht nur über die Musik: Der Gummimaskenbesorger verwechselt Michael Myers und Mike Myers, Baby zitiert Pixar-Filme.
Der Rest ist Drama mit Autoverkehr. Baby wohnt bei einem – sympathischen und bemerkenswerten – gehörlosen alten Mann und hat sich in die Kellnerin Deborah verliebt. Beide Nebenfiguren geraten ins Visier der Gangster, für die der vollwaise Baby Fahrdienste bei Überfällen übernehmen muss, weil er mal dem Falschen das Auto geklaut hat, Doc nämlich. Die Räubereien laufen mehr und mehr aus dem Ruder, während Baby und Deborah ihre Flucht aus dem Alltag planen, und Baby wendet sich bald gegen seine Zwangsgemeinschaften. Dies erfolgt nicht auf intellektueller Ebene, sondern mit der Gewalt, die er eigentlich verabscheut; das ist inkonsequent und simpel. Schlimmer ist lediglich das Ende, weil so hyperkitschig, dass es den Rest beinahe vergessen lässt. Denn immerhin sind ja die Ballereien und Autojagden ansehnlich und schweißtreibend, insbesondere im Duett mit der Musik.
Von einem Ed Wright war da mehr zu erwarten, oder besser: etwas anderes. Eigentlich lebte er seinen Actiondrang bereits mit „Hot Fuzz“ aus, dem zweiten Teil der Cornetto-Trilogie, und bewies damit, wie sicher er sich auf dem Boden recht überzeugend bewegen kann. Mit dem ironischen Blick auf das Genre lassen sich Stereotypen auch leichter verdauen. Sein „Baby Driver“ indes verzichtet darauf, ebenso auf seine typischen Zoom-Jumpcuts, genialen Überblendungen und Grafikspielereien; der Film trägt also nicht Wrights Handschrift. Coming-Of-Age-Liebeleien stellte er in „Scott Pilgrim“ überzeugender dar, Splatter in „Shaun Of The Dead“, humorvolle Dialoge in „Spaced“. Er kann’s doch! So ist des Briten Eintritt in Hollywood leider so enttäuschend wie ein „Spiderman“ aus der Hand von Sam Raimi.