Von Matthias Bosenick (01.05.2017)
30 Jahre Hollywood-Bausatzkino! Alles ist vorgefertigt: Hier müssen Sie lachen, jetzt weinen, dort ist es spannend, nun wird es niedlich, gleich romantisch. Dazu kunterbunte Spezialeffekte, dudelnder Streicherkleister und ein paar ausgenudelte Lebensweisheiten. Die Geschichte ist so alt wie das Drama und daher so beliebig, dass es gar nicht groß auffällt. Ein paar unkonventionelle Figuren durchmengen die Heldengruppe, mit der sich der Durchschnittszuschauer identifizieren soll. Hier kann man also abschalten und verpasst doch nichts. Die Disneyisierung der Welt. Also eigentlich strunzlangweilig – aber es funktioniert dann doch wieder irgendwie.
Bisweilen hat das durchschnittliche Hollywoodkino etwas Beleidigendes, als spräche es dem Zuschauer die Fähigkeit ab, selbst Schlüsse zu ziehen oder Emotionen zu empfinden. Subtilität findet nicht statt, Rhetorik nur mit Erläuterung, also dem ins Drehbuch getackerten Zwinkersmiley. Die Moral der Geschicht‘ ist sattsam bekannt, Abweichungen sind kommerziell nicht tragbar. Und „Guardians Of The Galaxy Vol. 2“ ist exakt so.
Die Story ist simpel: Ein Durchgeknallter will die Galaxie zerstören und ein Trupp heldenhafter Randfiguren ist zwar verwandtschaftlich involviert, will das aber trotzdem verhindern, während zwei weitere aggressive Gruppen die Helden umbringen wollen. Am Ende kommen sich alle ins Gehege. Universum trotzdem gerettet. Fertig. Der Rest ist beliebiges Füllmaterial, mit dem die vertrauten Versatzstücke in die richtige Reihe gebracht werden. Sämtliche Schachfiguren verschwinden in der vorgegebenen Zugfolge vom Brett. Keine Überraschungen, keine Zufälle, keine Abweichungen.
Die fünf Hauptfiguren sind so angelegt, dass man sie trotz ihrer vermeintlichen Schwächen liebenswert findet. Der Chef des Ganzen trägt den Durchschnittsnamen Peter, sieht durchschnittlich aus und hat durchschnittliche Charaktereigenschaften. Perfekt. Die einzige Frau im Team, Gamora, ist grün, hart und unnahbar, aber eigentlich romantisch. Passt. Dazu gesellen sich Zipfel, Mampf und Langbart, in diesem Falle: der tumbe Muskelprotz Drax, der gerissene Waschbär Rocket und das niedliche Stück Holz Groot. Der Rest ist wahlweise hinterhältig und exotisch oder dumm und brutal. Oder Kurt Russell.
Absolut für den Film spricht, dass er nicht langweilt. Das können sie: Die Geschichte salopp im Galopp abhandeln. Interessant ist hier eher, in welcher Konstellation das Drehbuch die Helden trennt und zusammenführt, wie die Gegner ihnen folgen und sie doch wieder verlieren, wie die Bösen überlistet werden und wie eine negative Figur sich positiv entwickelt; denn dass all dieses passiert, ist Standard und damit vorhersehbar, nur das Wie und die Reihenfolge machen den Unterschied. Blöd nur, dass dabei beim Betrachter keine echten Emotionen aufkommen, dafür lassen sich damit die antrainierten recht einfach abrufen.
Einen weiteren Unterschied machen die Details, die einzelnen Ideen, mit denen die „Macher von“ diesem Film diesen Film garnieren: Ein Typ kann pfeifend einen tödlichen Pfeil steuern, wenn er einen elektrischen Irokesenschnitt aufhat. Der Gott kann mit seinen Gedanken die Materie gestalten. Der Peter bringt popkulturelle Verweise ins Spiel, über sein separat vermarktetes Mixtape etwa, in Form von Pac Man oder via David Hasselhoff. Der Waschbär ist ein Arschloch, aber ein geschickter Kämpfer. Das Stück Holz verwechselt alles und kann nur den Satz „Ich bin Groot“ sagen, der jedes Mal eine andere Bedeutung hat. Der Regisseur versteckt fremde Elemente im Geschehen, etwa Howard The Duck. Eigentlich war’s das auch schon. Aber ist ja schon mal was.
Aber dann. Der Humor ist weitestgehend albern: Das Stück Holz kotzt einmal. Beim Dimensionssprung verformen sich die Gesichter der Raumfahrer wie bei Spitting Image. Im größten Kampf suchen die Helden nach Klebeband. Die Piraten reden wie Sonderschüler. Die Moral ist bisweilen moralisch fragwürdig: Drax sagt einer Frau, sie sei hässlich, und dass das gut sei, weil wenn jemand sagt, dass er eine hässliche Frau liebt, ist die Liebe echt, was man bei schönen Frauen nie wissen könne. Schöne Welt.
Vielleicht muss man Fan sein, um mehr in diesem Film zu sehen als das. Zumindest, auch das ist ein Pluspunkt, muss man den ersten Teil nicht zwingend gesehen haben, weil der zweite alles erläutert. Und am Schluss Hinweise auf mögliche Inhalte des dritten Teils gibt, aber das sehen zumeist wieder nur Eingeweihte. Trotzdem bleiben einige Elemente in angenehmer Erinnerung, etwa die Weltraumschlachten, die Waldkämpfe, der schlumpfblaue Irokese mit Moral, die Freundschaft, die zwar zänkisch, aber verlässlich ist. Tja, und schon hat einen Disney wieder gekriegt. Ist dieser Groot nicht wirklich niedlich?