Von Matthias Bosenick (22.04.2017)
The Electric Family sind so etwas wie die deutschen Pigface, zumindest das Konzept betreffend, nicht die Musik: Musiker aus zahllosen zumeist alternativen Bands finden sich pro Album in wechselnden Konstellationen zu diesem Krautrock-Ensemble zusammen. Initiator ist Tom Redecker alias The Perc (bei Pigface ist es ebenfalls eine Einzelperson, Martin Atkins). Auf dem Comebackalbum „Terra Circus“ gibt’s zunächst zurückhaltenden Rock zu hören, der die Entstehung aus dem Jam nicht verbirgt, recht bald ins All abdriftet und The Percs frühere Grufti-Nähe mit einem sitarbestückten Country-Cover von „Lucrecia My Reflection“ von den Sisters Of Mercy belegt.
Auf eine unbestimmte Weise distanziert klingt die Musik auf „Terra Circus“ anfangs, als fürchteten sich die Projektmusiker, dem Hörer mit ihren Ideen auf die Nerven zu gehen. Mag natürlich sein, dass genau diese Haltung dazu führt, dass das gar nicht erst nicht passiert; dennoch täte dem Sound an mancher Stelle etwas mehr Wucht gut. So muss man halt lauter drehen. Und die Entwicklung der Stücke abwarten.
Unaufgeregt rhythmet das Schlagzeug vor sich hin, dezent füttern Gitarre und Bass die Songs, zurückhaltend fiept der Synthie, schüchtern setzt der Gesang ein: So starten die meisten Songs, doch weil sie sich Zeit nehmen, tirilieren die Musiker alsbald munter herum. Plötzlich bekommen die Instrumente Drive, setzen die Saitenmusiker zu Soli an, entdecken die Schlagzeuger Fills, bekommen Sitar oder Orgel mehr Platz. Dann versinken die Beteiligten in ihren Songs und lassen sie ordentlich ausufern. Man kann sich leicht von ihnen mittragen lassen, das hat etwas aufregend Meditatives. Gelegentlich orgeln sie den Hörer sogar ins All.
Sobald The Electric Family das Tempo anzieht, werden die Songs etwas konventioneller. Mehr Tempo heißt aber nicht mehr Heavyness, die Gitarren bleiben (außer zum Impro-Ausklang) unverzerrt; mehr Folk als Rock, und vor allem: mehr Kraut. Denn vor 21 Jahren sammelte Redecker Mitstreiter um sich, um mit The Electric Family eine Krautrockband ins Leben zu rufen. Davon zeugt heute eher, dass auf „Terra Circus“ mit „Mary Mary So Contrary“ ein Coversong der Krautrockmiterfinder Can enthalten ist, als dass das Album konkret nach dem klassischen Genre klingt. Und das ist auch gut so; hier kann man vielmehr ahnen, wie der Krautrock wohl klänge, wenn ihn die Protagonisten von damals heute noch spielten.
Vom Debütalbum „Family Show“ aus dem Jahr 1997 sind dieses Mal außer The Perc noch sein Labelspezi Harry Payuta dabei, der Bremer Meister der Sitar, und Multiinstrumentalist Rolf Kirschbaum, der mit The Pachinko Fake ansonsten eher dem Düsterrock zugeneigt ist. Zum abgespaceten Krautrock am besten passend ist Keyboarder Anders Becker, der sich ansonsten bei der Mandra Gora Lightshow Society ausdudelt. Schlagzeuger Hanno Janssen gehört ohnehin zum Perc-Universum; seinen Schemel teilt er sich mit Steff Ulrich, der ansonsten noch keine Meriten gesammelt zu haben scheint. Das Album beendet eine zehnjährige Schaffenspause und begeht gleichzeitig den 20. Geburtstag des Ensembles. Jetzt darf auch Martin Atkins gern seine Pigface reaktivieren.