Von Matthias Bosenick (05.12.2016)
Die Bilder sind eindrucksvoll und nachhaltig: Wie da so die außerirdischen Riesenlinsen über den verschiedensten Weltgegenden hochkant in der Luft hängen, das bleibt hängen. In „Arrival“ geht es um genau diese Ankunft Außerirdischer, die zwar Töne absondern, die aber niemand versteht. Dafür muss eine Sprachwissenschaftlerin ran. Und die dreht die Geschichte mit ihren Erkenntnissen in eine gänzlich unerwartete Richtung. Man kann über diesen Film kaum angemessen berichten, ohne zu spoilern – das sei warnend vorweggeschickt.
Visuell macht der Film alles richtig und viel her. Das Licht ist permanent gedimmt, es dringen kaum helle Farben ins Auge. Die Kamera ist nicht immer an den erwartbaren Positionen aufgestellt, sondern zeigt das Geschehen mal durch Scheiben, kopfüber, ausschnitthaft oder auch gar nicht, weil man nur die Gesichter derer zu sehen bekommt, die das Unsagbare verfolgen. Damit ist der kanadische Regisseur Denis Villeneuve angenehm weit weg vom handelsüblichen Hollywood – und mit seiner Erzählweise auch.
Villeneuve stellt nicht alles dar, was herkömmliche Hollywoodfilme zeigen würden. Seine Sprachwissenschaftlerin Louise setzt im Kontakt mit den Aliens an einer Position an, die weit nach der ersten Begegnung liegt. Man sieht auch nicht jedes Gespräch mit den Aliens, sondern erfährt oft erst in der Nachbesprechung von den bahnbrechenden Ereignissen. Viele weltpolitische und sich auf die Handlung direkt auswirkende Entwicklungen bekommt man beiläufig aus Liveübertragungen mitgeteilt. Das ist spannend, weil es die Wertigkeit des Gezeigten verlagert. Leider hat diese Vorgehensweise auch einen Nachteil: Man kommt Louise nicht nahe, sie wirkt wie isoliert in der Handlung und darf nicht mal ausgiebig staunen.
Natürlich wirft das die Frage auf, was denn dann des Pudels Kern sein soll. Und der wiederum ist gegen Ende eine handfeste Überraschung: Wer die rätselhafte Schrift der Aliens anwendet, kann in die Zeit sehen. Nicht reisen, aber gucken: So sind die Flashbacks, die Louise den ganzen Film über hat, Boten aus der Zukunft; das macht es etwas unübersichtlich, weil diese Szenen schon auftauchen, bevor sie die visionäre Eigenschaft hat. Man muss also davon ausgehen, dass sie ihre Zukunftsvisionen und ihre eigene Erinnerung aus einer noch weiter entfernten Zukunft erzählt, in der beides bereits Vergangenheit ist. Ansonsten ist es nicht schlüssig. Wirft aber existenzielle Fragen auf: Würdest du dein Leben weiterleben, wenn du bereits wüsstest, dass etwas an dem, was du gerade begonnen hast, schieflaufen wird? Louise bejaht diese Frage, aber der Zuschauer bewegt sie noch eine Weile in sich und kommt womöglich zu anderen Ergebnissen.
Visuell also ist der Film bemerkenswert, aber: Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll ist, den Aliens ein konkretes Aussehen zu geben. Und war eines, das sich als ein Mix aus Tintenfisch, Elefant und Hand darstellt. Sicherlich ist es bequemer, die Kommunikation zwischen Mensch und Septopoden darzustellen, wenn man beide Gesprächspartner sehen kann. So sei es denn.
Im Hintergrund der Handlung findet außerdem die Welt statt, wie sie sich Utopisten des Sci-Fi-Zeitalters seit jeher vorstellten: Die Menschheit reagiert auf die Anwesenheit von Aliens mit Hysterie und Unmenschlichkeit. So weit, so gut. Aber so richtig daneben benehmen sich hier schön klischeehaft die Chinesen, gefolgt von Russen und irgendwelchen Arabern. Sie alle gehören zu zwölf Nationen, über deren Territorium je eines der undurchsichtigen Alienschiffe schwebt. Überdies sei hier der wohl beste und größte Witz des Films gelobt: Bei dem Versuch, zu ermitteln, warum sich die Außerirdischen ausgerechnet diese Punkte auf der Erde ausgesucht haben, kommt heraus, dass in den Achtzigern eine Sängerin in genau diesen Ländern einen Hit in den Top-Ten hatte. Das ist eine absolut großartige Nerdrecherche.
So schön dieser Film auch ist und so eindrucksvoll das Thema Zeit hier interpretiert wird und so sehr das Ende gleichzeitig märchenhaft und ernüchternd ist – so richtig viel mitzunehmen ist auf emotionaler Ebene nicht. Das ist bedauerlich, weil man es ansonsten mit einem fantastischen Werk zu tun hat. Auch, was den Sound und die Bilder betrifft, sollte man den Film einmal gesehen haben, und das im Kino; zu Hause funktioniert der sicherlich nicht halb so gut.