Von Matthias Bosenick (26.08.2012)
Gleich drei neue Bände der „Edition Wissenswertes“ veröffentlicht Andreas Reiffer in seinem Verlag: „Dienstanweisung Internet – So funktionieren Aktenordner, Telefon, Facebook & Co.“ von Gerald Fricke, „Eishockey – Das Spiel, seine Regeln und ein Schuss übertriebene Härte“ von Frank Bröker und „Being Jimi Hendrix – Ein Essay“ von Frank Schäfer. Gemein indes haben sie lediglich das von Patrick Schmitz gestaltete Titelbild – darüber hinaus könnten sie unterschiedlicher kaum sein: Fricke entblößt vermeintliche soziale Netzwerke in lockeren Lexikoneinträgen, Bröker erklärt detailgetreu die Sportart mit allem, was dazugehört, und Schäfer erzählt die kurze Lebensgeschichte des Gitarrensounderneuerers aus Seattle mit hilfreichen Blicken abseits des Sujets.
Aus Frickes Büchlein quillt die pure, satte Ironie. Das geht los mit dem Format des Lexikons mit den vermeintlich willkürlichen Einträgen und hört mit dem Sprachstil längst nicht auf. Eine wirkliche Hilfe durch den Social-Media-Dschungel ist das Buch mitnichten, will es auch gar nicht sein, sondern vielmehr eine Abrechnung mit dem Stellenwert, den fälschlich übersetzt so genante soziale Medien bei vielen Zeitgenossen einnehmen. Für diese Abrechnung befleißigt sich Fricke – typisch für ihn – der Wortwahl des kleinen Mannes. Darauf weist er in seinem Buch an mehreren Stellen ausdrücklich hin und lästert etwa über die grassierende Verwendung der ironischen Distanzierungshäkchen, auf die er selbst dennoch unablässig zurückgreift. Es ist gut, dass er den Abstand zwischen sich und seinem Schreibstil verdeutlicht, weil ansonsten womöglich der Verdacht aufkäme, er habe gar keine eigene Sprache; ertragen kann man Leute, die so reden, wie Fricke häufig schreibt, nämlich nicht dauerhaft. Die gelegentlichen langen Lexikoneinträge belehren den Leser eines Besseren: Fricke kann auch anders und eigen.
Fricke zieht Querverweise in alle möglichen und unmöglichen Richtungen, thematisch, historisch, technisch, kulturell, und schafft damit etwas, was den Nutzern sozialer Medien größtenteils abgeht: Er betrachtet die Welt holistisch. Insofern ist sein Lexikon tatsächlich wissenswert. Indem er diese Verbindungen herstellt, übt er bissigste Kritik. Einen Eintrag zu „Kafka, Franz“ etwa erwartet man nicht unbedingt, ebensowenig die „Neubaugebiets-Lüge, die große deutsche“, die da lautet: „In zehn Minuten biste inner Innenstadt, ehrlich“. Wer sich nicht so intensiv auf Facebook, Twitter und ähnlichen Plattformen bewegt, versteht möglicherweise nicht jeden Querschuss; unter „Ranking“ etwa steht: „Obwohl, früher haben elegante Monokelträger noch hübsch „Hitparade“ dazu gesagt. Was ich damit sagen will: Ich hätte jetzt die innere Bereitschaft für ein Stückchen Baumkuchen „erreicht“.“
Mit seinem ätzenden Lexikon erreicht Fricke auf jeden Fall alljene Zeitgenossen, denen dieser ganze Internethype, das Facebookgefave und die Smartphoneabhängigkeit größtenteils wurscht sind und die ihr Mobiltelefon bestenfalls dazu nutzen, sich mit Freunden in der Kneipe auf ein Bier zu verabreden. Ungewöhnlich ist, wie er das macht; genau das macht dieses Büchlein so relevant, denn alles andere wäre blöde Comedy und damit nicht im Sinne des Autors. Fricke ist einzigartig, aber schwierig.
Schwierig ist gleich das ganze „Eishockey“-Buch von Bröker. Es beinhaltet nämlich genau das, was draufsteht: die Spielregeln mit allen, sämtlichen und noch einigen weiteren Details. Etwa solchen wie den genauen Abmaßen der Plexiglasscheibe über dem Trainersitzplatz oder so. Wer sich noch gar nicht für Eishockey interessiert, hat es auch nach der Lektüre noch schwer mit der Sportart. Wer bereits Kenntnisse besitzt, findet sich womöglich schnell in dem Buch wieder; das müssen Fans sagen. Wer allerdings vorhat, in die Materie tiefer einzusteigen, bekommt hier alles nötige Wissen kompakt serviert. Schwierig ist für Nicht-Fans an dem Buch jedoch, dass Bröker die dichte Informationsfülle nicht mit einer vergnüglichen, versierten Sprache abbildet; aus purem Vergnügen ist es schwer zu lesen. Der Sprachwitz reicht über einige gebräuchliche Redewendungen kaum hinaus, Beispiel: „Es geht meist zu wie in einem gut ausgelasteten Ehebett. Drunter und drüber.“ So richtig warmherzig wird das Buch erst im Nachwort, in dem Bröker seinen The-Russian-Doctors-Mitmusiker Dr. Holger „Makarios“ Oley erzählen lässt, wie sie beide überhaupt Eishockey-Fans wurden. Und da wird dann klar, was dem Buch bei aller Fülle fehlt: der persönliche Bezug des Autoren zur Materie, der Grund für die detailverliebte Leidenschaft.
Den macht Schäfer wiederum in seinem Hendrix-Essay mehr als deutlich. Um die Lebensgeschichte des Gitarristen nachzuzeichnen, bedient sich Schäfer verschiedenster Quellen: Er zitiert Biografen, zeitgenössische Presse und Musikmagazine sowie Hendrix selbst. Was dem Buch guttut: Schäfer traf sich extra dafür mit dem versierten Hendrix-Biografen Klaus Theweleit zum Gespräch. Schäfers vertrauter intellektueller Sprachwitz und die Ausflüge in kulturhistorische Randbereiche (Woodstock, Bob Dylan, Drogenkonsum, Psychologie des Musikhörens) reißen auch dann den Leser mit, wenn dem Hendrix nicht allzu allumfassend wichtig ist. Zum Ende gibt Schäfer mit minutiös dokumentierten Aussagen zu Hendrix‘ Todesumständen allen Verschwörungstheoretikern und Krimifans ordentlich Stoff zum Kombinieren an die Hand und liefert die beste Erklärung für all die Theorien gleich selbst: „Der verständliche Wunsch nämlich, dass wenigstens der Tod eines so exorbitanten Künstlers etwas zu bedeuten hat.“ Außerdem gibt Schäfer einen verlässlichen Überblick über die wichtigsten und sammelnswertesten Alben, die nach Hendrix‘ Tod veröffentlicht wurden.
Schäfer ist glühender Verehrer, das wird mehr als deutlich und steckt an. Nach der Lektüre dreht man die vier zu Hendrix‘ Lebzeiten erschienenen Alben beim neuerlichen Hören noch einmal etwas lauter.
Erhältlich hier:
Verlag Andreas Reiffer
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