Von Matthias Bosenick (07.11.2016)
Vom „Windowpane“ zum „Windowpain“: Opeth haben im Retrodudeln ein behagliches Nest gefunden. Vom progressiven Death- und Black-Metal mit ausufernden milden Gitarrenpassagen und eingeflochtenem Schönklang blieb seit drei Alben lediglich das Progressive übrig, und zwar grob in der Form, wie es der Progressive Rock in den Siebzigern vorgab, also irgendwie willkürlich komplex rockend mit ganz viel Orgel und sonstiger Orgelei. Erschreckend, wie langweilig die Schweden geworden sind.
Retro gab’s doch schon, als das Zeug neu war. Warum also nicht etwas Neues kreieren? Haben Opeth ja jahrelang gemacht, von „Orchid“ 1995 bis „Watershed“ 2008, also gut 13 Jahre lang. Seit „Heritage“, also seit 2011, vermeidet Chefgroller Mikael Åkerfeld das Grollen und singt ausschließlich klar. Klar, als er das früher gelegentlich tat, stand das im herrlichen Kontrast zum üblichen Todesgrummeln und damit zu den meisten anderen Bands aus Black- und Death-Metal. Ausschließlichen Klargesang gab es zwar auch schon auf „Damnation“, dem Schwesteralbum zu „Deliverance“, aber da hatte die Musik drumherum eine ganz andere Note als heute: Sie wirkte wie die akustisch gespielte Variante des sonst üblichen Schwermetalls, also immer noch bedrohlich und atmosphärisch, jeder Song schlüssig. Jetzt verkomplizieren sie ihre Lieder auf die Siebzigerweise, also ungefähr so, wie es Åkerfelds bester Kumpel und Prognervensäge Steven Wilson auch tut. Irgendwie intellektuell, aber willkürlich.
Ab und zu packen Opeth noch mal den Rock raus, besonders zu Beginn des Albums, doch bleibt der ohne Wucht und Tempo und ganz besonders ohne Metal. Schnell fallen sie weiter ins Tranige und schläfern den Hörer ein. Dazu klingt das Schlagzeug seit der Progorientierung so pappkartonartig dumpf, dass man selbst an den etwas rockigeren Passagen die Lust verliert. Und dann packen die Neohippies wieder ihre Flöten aus und tanzen Ringelreihen um die Weide. Oder versuchen, sich zaghaft am Klang des Orients zu orientieren. Eigentlich gibt es nur zwei Songs mit Tempo und latenter Heaviness, und das sind „Chrysalis“ und „Strange Brew“ in der Mitte des Albums, aber auch die dudeln alsbald satt herum. Sobald man hofft, dass der Spuk bald ein Ende haben möge, setzen sie kurz vor Apfiff ein letztes Mal zum Spurt an. Gewonnen ist damit dann aber nichts mehr. Okay, Opeth sind ja gut in dem, was sie tun. Sie sind gute Musiker. Nur, wenn ich das hören will, was sie machen, greife ich zu anderen Bands, und wenn ich Opeth hören will, soll etwas anderes erklingen.
Wie zum Kontrast dazu schmücken Opeth ihr Artwork mit umgedrehten Kreuzen, als wäre das ein Ersatz für die schwache Musik. Der wunderschöne Pfau auf dem Cover beißt in einen blutigen Schädel, auf dessen Stirn der Albumtitel eingeritzt ist. Das Äußere gaukelt etwas Böseres vor, als es die Musik drinnen hält.
Aber es gibt ja noch eine Bonus-CD, wenn man das möchte. Da sind zwei neue Studiotracks und drei Livesongs drauf. Den beiden ersteren gelingt es latent, das Neue an Opeth so zu komprimieren, dass es nicht als primär langweilig ertönt. Die Livesachen sind Opeth mit Orchesterbegleitung. Echt. Ernsthaft. Als hätte es Deep Purple oder „S&M“ von Metallica nie gegeben. Für Opeth ist dies nur ein weiterer Beitrag zum Dudeln: Mehr als ein bisschen Fiedelbonus ist das nämlich nicht. Da hat niemand die Songs umarrangiert oder eigene Partituren geschrieben. Diese Mühe machten sich offenbar bislang nur Deine Lakaien und Under Byen. Schwach. Passt ja. Fazit: Das war die letzte Chance für Opeth. Aber es gibt ja genügend Alternativen.