Von Matthias Bosenick (02.11.2016)
Nicht viele Bands können immerzu das Gleiche machen und damit trotzdem permanent Neues kreieren. Weil das Gleiche bei einer Band wie Meshuggah so komplex ist, dass jederzeit Raum für Variationen bleibt, die fraglos als Neukreation durchgehen können. Zumindest, wenn man ein Ohr dafür hat und die Sorte Metal, die andernorts als Djent bezeichnet wird, nicht für schlichten Soundbrei hält. Den aufmerksamen Zuhörern schenken die Schweden nach 25 Jahren noch ein anspruchsvolles Brett, bei dem man wie gewohnt Schwierigkeiten hat, überhaupt den Takt mitzuwippen. Und dann garnieren sie das intellektuelle Gerumpel auch noch mit feinen Effekten und – ähm – Melodien.
Sowas wie das hier kann man also auch mit Gitarren, Bass und Schlagzeug anstellen, wenn man keinen Bock mehr auf Viervierteltakte und Strophe-Refrain-Strophe-Strukturen hat. Wer zumindest mal eine Live-DVD von Meshuggah gesehen hat, wundert sich, wie die fünf das, was sie da im Studio abtechniken, auch auf der Bühne unfallfrei rekonstruieren können. Da spielt jeder etwas Anderes in einem anderen Rhythmus und das Ganze ergibt Stücke, die in sich trotzdem nicht chaotisch wirken. Alles ist etwas tiefer gestimmt, außer der gelegentlich flirrenden Effektgitarre von Fredrik Thordendal. An das Geschrei von Stimmbandträger Jens Kidman muss man sich etwas gewöhnen, aber es fügt sich bald als Strukturgeber in den Sound ein. Das Schlagzeugspiel von Thomas Haake taugt dazu nur bedingt: Dafür kann er einfach viel zu viel.
Interessant ist, dass man immer wieder Elemente hört, die man von anderen Gitarrenstilrichtungen kennt: Saitenschrubben, Riffgewitter, Bassslappen, Blastbeats, Feedbacks. Doch nix davon so kontinuierlich, dass es zum Festhalten Bestand hat. Die Kontinuität dieser Musik liegt in der Vielfalt und darin, dass so viele unterschiedliche Dinge nacheinander passieren und dadurch einen Fluss bilden. Ja, sogar einen Groove bilden können. Oder sogar richtig schöne Passagen. Und, was dabei so überzeugend ist: Meshuggah musizieren nicht zur schlichten Effekthascherei oder Egowichse. Es wird deutlich, dass sie mehr auf der Pfanne haben als der durchschnittliche Saufrocker, der sie privat offenbar auch sein können, aber sie nutzen ihre Expertise zur Kreativität. Es entstehen Songs, die sogar schlüssig sind.
An ihrer Wiedererkennbarkeit arbeitet man indes eine ganze Weile. So richtig sofort und gleich extrem positiv sticht „Born In Dissonance“ heraus: Es ist hypernervös und zappelig und melodiös und eigen. Der Rest ist auch geil, aber solides Meshuggah-Material. Etwas songorientierter als beispielsweise die „Catch Thirtythree“, aber das waren ja alle Alben danach schon. So vergleichsweise poppig wie zu ihren Anfangszeiten mit „Destroy Erase Improve“ werden Meshuggah aber auch nicht mehr. Und das ist gut so, es geht nun mal voran. Auf gleichbleibend komplexem Niveau. Der einzige, der hierzu taktgenau mitbangen kann, ist Zaphod Beeblebrox.