Von Matthias Bosenick (26.10.2016)
Sobald die Filme von Benoît Delépine und Gustave Kervern nicht im erfundenen Groland spielen, geht ihnen reichlich der Witz ab. Dabei beginnt „Saint Amour“ noch recht akzeptabel, kippt dann aber zur Hälfte in einen müden Sexwitz. Weder die Geschichte noch die Charaktere retten den Film, nur die verblassende Erinnerung an einige sehr witzige Dialoge aus der ersten Hälfte lässt das Werk nicht als kompletten Ausfall zurück. Zweimal sehen muss man „Saint Amour“ aber nicht.
Es fehlt: den drei Hauptfiguren an Tiefe und Entwicklung, der Geschichte an Stringenz und dem Humor an Skurrilität. Alles geschieht nur irgendwie, deshalb verpasst man auch gar nichts, wenn man vorzeitig das Kino verlässt. Gérard Depardieu, Dauergast bei Delépine und Kervern, spielt Jean, den Vater von Bruno, dargestellt von Benoît Poelvoorde aus „Das brandneue Testament“. Sie sind Bauern, die auf einer Landwirtschaftsmesse ihre Rinder prämieren lassen wollen, jeder mit unterschiedlich ausgeprägter Leidenschaft, Bruno nämlich mit gar keiner. Lieber will er sich auf der Messe mit Wein aus allen Regionen Frankreichs besaufen und kippt dabei aus den Latschen. Warum sich nun Jean und Bruno plötzlich ein Taxi nehmen, um die Weintour in echt abzuklappern, ist nicht so richtig eindeutig.
Anlass für die Tour ist wohl, dass Jean seinem Sohn näherkommen und ihn überzeugen will, den Hof weiterzuführen. Der Fahrer ist ein junger Pariser Schnösel namens Mike, der permanent damit herumprotzt, dass er seine Frau vögelt. Landeier und Stadtjüngling sind sich drehbuchgemäß nicht so recht grün. Doch die Konflikte bleiben oberflächlich, sie sind kaum mehr als Stichwortgeber für Gags, die zusehends abflachen. Damit bleiben einem die Figuren gleichgültig.
Als dann die Kulturclashpassagen abgefrühstückt sind, geht es nur noch um Sex. Selbst die versucht absurde Sequenz mit der Maklerin erzeugt nur ein Schulterzucken, die depressive Torschlusspanikfrau im Baumhaus nimmt das letzte Drittel des Films ein und den letzten Rest an Würde heraus. Alles ist Wurst.
Das nivelliert auch die schönen Ideen aus der ersten Hälfte. „Es gibt keine Milliardäre“ ist ein erinnerungswürdiger Oneliner, die Restaurantszene mit dem Aquarium eine herrliche Ansammlung grotesker Lacher. Man hat den Eindruck, dass den Beteiligten zunächst die Ideen und dann die Lust ausgehen. Ebenso müde ist die Musik von Frenchhouse-Star Sébastien Tellier, der seinen einzigen guten Einfall, nämlich eine Art Elektro-Version von Rondo Veneziano, an jeder Ecke des Films unterbringt. Immerhin, Dépardieu und Poelvoorde spielen ihre Rollen gut, sie sind überzeugende Pfeifen mit Ticks und Meise ohne Angst vor Hässlichkeit. Zudem darf sich Michel Houellebecq selbst auf die chippe nehmen. Und das war’s dann auch schon. Dann lieber nochmal „Louise-Michel“ und „Der Tag wird kommen“ gucken. Und versuchen, endlich „Aaltra“ und „Avida“ vor die Augen zu bekommen.