Von Matthias Bosenick (28.09.2016)
Das Label Sireena hat ein Händchen dafür, Bands zu veröffentlichen, deren Namen und Albumcover aussehen wie aus einer Rockmusikpersiflage. Und wie bei Sireena ebenso üblich, sollte man sich davon nicht beirren lassen. Ziguri sind drei alte Männer mit Krautrockerfahrung, die seit kurzer Zeit wieder zusammen musizieren und der Jugend mal zeigen, was man alles aus den gegebenen Instrumenten so herausholen kann. Hier dudelt, dröhnt, rockt, gniedelt, rumpelt, spacet es nach Herzenslust und ohne zeitliche Beschränkung. Die Musik bildet Kreise, die sie als Grundlage für Experimente nutzt. Was ist das: Speed Ambient, Rock Goa, Stoner Krautrock, Psychedelic Postrock? In jedem Fall: beachtlich gut.
Die Besetzung ist klassisch: Gitarre (Günter Schickert), Bass (Udo Erdenreich), Schlagzeug (Dieter Kölsch), und wenn man diese Information mit dem gehörten Sound abgleicht, mag man das gar nicht glauben. Diese dichte Geräuschwand ist von nur drei Leuten errichtet? Und dann auch noch – so sagt es jedenfalls die Info – live im Studio an einem Stück, komplett ohne Overdubs und Zusatzgeräte? Abgesehen von gelegentlicher Stimme ist einmal eine Trompete als Extrainstrument zu hören. Das ist schier unglaublich.
Songs im herkömmlichen Sinne hat man hier nicht zu erwarten. Die drei Berliner lassen sich Zeit, um ihre Stücke aufzubauen, und wenn sie dann am Stehen sind, haben sie so viel Fundament, dass sich auf ihnen ein tonnenschweres Experimentalgebilde manifestieren kann. Der groovende Bass und das wild rumpelnde Schlagzeug bilden wiederkehrende Muster, die Gitarre legt Effekte und Echoräume darüber. Erstaunlich ist auch, aus wie vielen unterschiedlichen Genres man hier Vergleiche entdeckt: Jenen Gitarreneffekt kennt man von Into The Abyss, diesen verpflochtenen Rockteppich von Transmission, den Rhythmus dort von Neu!, das Melodiefragment von New Order; Krautrock, Post Punk, Gothic Rock, Stoner und Psychedelic Rock – alles zusammen ergibt Ziguri. Krass.
Natürlich ist das Ergebnis irgendwie hypnotisch, man glaubt, beim Hören in Trance zu geraten. Das stimmt im Ansatz auch, aber streckenweise galoppieren die drei Kreuzberger so irrwitzig davon, dass man sich nur zappelnd dazu bewegen kann. Man kann in dem dichten Dreimannsound gepflegt abtauchen und den Derwisch in sich finden.
Das eigentliche Album besteht aus fünf Tracks, drei weitere aus den Neunziger Jahren gibt es als Bonus. Man hört den Unterschied: Die Reife tat dem Trio gut, besonders das letzte Stück klingt ein Wenig aus der Zeit gefallen, während das Hauptalbum komplett zeitlos ist. Das mindert die Gesamtqualität gottlob mitnichten. Produzent war übrigens Dirk Dresselhaus alias Schneider TM, das erklärt vielleicht die Tanzbarkeit des Ergebnisses.