Von Matthias Bosenick (03.06.2016)
„Shock Metal“ nennen Fear Of Domination ihre Musik. Das ist so beliebig wie für jeden unzutreffend, der sich schon mal mit Metal befasst hat. Der Metal hier ist druckvoll uptempo groovend mit Keyboardbegleitung, Geschrei und Popinterludien – also typisch finnisch. Nicht schlecht, aber auch nicht innovativ. Doch je öfter man das vierte Album „Atlas“ hört und zufrieden feststellt, dass es gar nicht so richtig nervt, desto mehr mag man es dann. Das wiederum haben Fear Of Domination vielen anderen zweitrangigen Metalbands voraus.
Das ist wirklich das überraschendste: Trotz der Keyboards und des dichten Sounds ist „Atlas“ nicht so aalglatt totproduziert wie der meiste zeitgenössische Metal, besonders aus Finnland. Wenn keine Lücken mehr sind für einzelne Instrumente oder auch mal leichte Ungenauigkeiten, die Musik also seelenlos ist, macht es keinen Spaß mehr, sie sich anzuhören. Das ist dann auch nicht mehr hart oder Metal oder brutal oder was, sondern einfach nur ein Geräuschteppich. Plastikmüll. Das kann man bei der Studiotechnik, die da drinsteckt, auch ohne Gitarren machen. Musikalisch ist „Atlas“ zwar in der Ecke gelagert, also irgendwie treibend und angefüllt mit Sound, bis hin zum schrillen Kleisterkeyboard und zum Chorgebölk, also so, wie man es auch von Children Of Bodom, Nightwish und den zahllosen weiteren Vertretern kennt, aber mit einer leichten Schippe Dreck in der Produktion. Nicht viel, aber zur Unterscheidung beitragend.
Dennoch stellt man fest, dass „Atlas“ musikalisch nicht eben Neues generiert. Da ist nichts, das man nicht schon gehört hat, dutzend-, hundertfach. Nicht besser, weil es diese Sorte Metal einfach selten in Gut gibt, wenn man es gern dreckiger, rockiger oder progressiver hat. Es gibt in fast jedem Track immerhin einige spannende Passagen, die den Fluss aufbrechen, und das ist das, was der Musik guttut, nur einzigartig ist es nicht. Auch die Themen sind nicht so neu: „Unerbittlichkeit, Gebrechlichkeit, Verlust und Endlichkeit“, sagt das Infoschreiben. Joa.
Nur wo steckt da nun der Schock im Metal? In der Musik schon mal nicht, wenn man nicht gerade am liebsten Helene Fischer hört und metal an sich schon schockend findet. Auch musikhistorisch fügen Fear Of Domination dem Schock keine neue Ebene hinzu, das haben Alice Cooper, Alien Sex Fiend und Marilyn Manson ausgiebig vorexerziert. Ist es die Kostümierung, die Industrial-Metal-typisch mit vielen Gruftischnallen und Ketten dekoriert ist und über schwarzweiß bemalte Gesichter nicht hinausgeht? Nach Black Metal, Slipknot, Kiss und Co? Nope. Offenbar lebt die Band von ihren Shows, sagt die Info, mit Pyrotechnik und durchgeknallten Theaterelementen. Mag sein, die hört man aber nicht. Obwohl: Wenn man das Album hört und davon weiß, versteht man die Gründe für die Existenz mancher Elemente besser.
Nach Ablauf der knapp 40 Minuten ist man wie geplättet, von einer Geräuschwelle überschwappt. An diesem „Atlas“ hat man schwer zu tragen. Melodic Power Death Metal. Sarichma. Kann man sich mal geben, ab und zu. Dann ist aber auch wieder für eine Weile gut.