Von Matthias Bosenick (01.06.2016)
Was „The Witch“ fehlt, ist die zweite Ebene. Er bildet lediglich einige Sagen aus den Wäldern Neuenglands zu Zeiten der Puritaner ab, ist mithin so geradlinig, dass er überraschungsarm bleibt. Darüber hinaus ist er auch noch extrem flach und wiederholt die wenige Handlung unablässig. Nicht zuletzt erinnern die markanten Merkmale zu sehr an andere Filme. Das ist sehr verschenkt, weil die Grundidee ganz gut ist. Aber ein paar dunkle Baumstämme reichen heute nicht mehr zur Gruselatmosphäre.
Was haben wir: Eine hyperchristliche Familie, die aus ihrer noch religiöseren Dorfgemeinschaft verstoßen wird und sich am Rande eines Waldes vergeblich eine Existenz als Farmer aufbauen will. Ständig wird gebetet und erwähnt, wie sündig ein jeder doch sei. Der Wald ist dunkel, das Getreide wächst nicht, Hoffnung liegt in der Ziegenzucht und im Fallenstellen. Gleich zu Beginn holt sich eine Hexe das ungetaufte Neugeborene und schmiert sich mit dessen Blut ein. Damit ist von Anfang an klar, dass es nicht um Visionen oder psychologische Spiegelbilder geht, sondern um im Sinne des Films reale Teufelsfrauen. Jede folgende Unstimmigkeit hat damit eine Erklärung, Spannung verfliegt sofort. Was auch immer kommt: sind wohl Hexen im Spiel.
Aber das kommt auch erst so gegen Ende so ein bisschen zum Tragen, die ersten 70 Minuten versucht der Film, Spannung und Atmosphäre zu kreieren, erreicht aber beides nicht. Nicht mit bei „2001: Odyssee im Weltall“ geklauten Chören, nicht mit bei David Lynch geklautem Brummton, nicht mit bei „Blair Witch Project“ geklauten Geräuschen im Wald und nicht mit bei „Antichtist“ geklauten im Wald auftretenden zwischenmenschlichen Komplikationen im Angesicht sprechender Tiere. Zudem nimmt der Film der Hexe die Bedrohung, indem er sie letztlich zur Verheißung werden lässt.
Zwar ist es interessant, dass sich der Film bei Originalaufzeichnungen bedient, bis hin zu den authentischen Dialogen, doch reicht das nicht aus, um einen fesselnden Film zu ergeben. Die Hexen stehen für nichts, sie sind einfach da, wie es der selbstkasteiende Glaube der Familie auch ist. Es gibt nichts zu interpretieren, nichts zu deuten, und das letzte Bisschen nimmt der Film sich selbst, indem er die zwei kleinen möglichen kritischen Ansatzpunkte in knappen Dialogen selbst offenbart und ihnen darüber hinaus keine interpretatorischen Lücken mehr lässt. Die Symbolik des Films ist so simpel wie sein Inhalt: Ein schwarzer Ziegenbock, ein verschluckter Apfel, aufkeimende Weiblichkeit durchqueren die Hysterie der Hexensuche innerhalb der eigenen Kinderschar. Will man wirklich etwas Tieferes in diesem Film ausmachen, muss man es sich aus der eigenen Erfahrung heraus hinzudichten; der Film selbst bietet nichts an.
Zwar sind die dunklen Bilder anfangs noch einschüchternd, doch verliert der fast schwarzweiße Effekt in diesem Farbfilm bald seine Wirkung. Ein paar Kameraeinstellungen sind ganz nett, Lampen vorm Gesicht, schwingende Axt, Nachverfolgung aus der Froschperspektive. Sowas. Aber das reicht alles nicht.
Es ist sogar so schlimm, dass der Film alsbald langweilig wird und man sich nur noch das Ende wünscht. Doch sobald das da ist, ist man noch enttäuschter. Diesen Film könnte man fast Kindern zeigen, spielen sie doch wesentliche Rollen. Mehr wäre hier mehr gewesen.