Von Matthias Bosenick (10.11.2015)
Steampunk ist keine Musikrichtung. Ebenso gut hätte Paul Roland behaupten können, er mache Pop Art; das kommt der Sache sogar deutlich näher. Jedenfalls auf „Bitter And Twisted“, das nichts mehr zu tun hat mit dem glamrockigen „Werewolves Of London“ (damals noch als „Midnight Rags“) oder dem gruftigen „Nosferatu“. Roland legt die Theatralik zwar nicht ganz ab, aber wenigstens die übertriebene Schminke. Das Album klingt, als habe der wohlarrangierte, nun, Singer-Songwriter jede Menge Spaß am Komponieren und Musizieren gehabt. Die Songs sind flott, griffig melodiös und unheavy gerockt. Als einziger Vergleich fällt vielleicht Luke Haines ein, der Roland in Tonfall und Stimme leicht ähnelt. „Bitter And Twisted“ ist ein feines Album; daran ändert auch nicht, dass Roland den Titeln seiner Sachbücher zufolge eine mächtige Klatsche haben muss.
Interessanterweise klingt die Musik auf „Bitter And Twisted“ zunächst viel simpler, als sie tatsächlich ist. Das liegt an den Melodien, in die Roland seine Lieder kleidet. Sie sind nicht vordergründig komplex, dafür umso eingängiger, aber auch nicht so kinderliedhaft wie in den Charts, zudem mag er Chorgesang. Bei genauem Hinhören fällt jedoch auf, dass es diese Melodien in sich haben, mit Halbtönen und Taktverschiebungen, die dem Unbedarften gar nicht auffallen. Als Krönchen singt Roland zwar unaufgeregt, aber nachdrücklich und mit einer charakterstarken Stimme.
Arrangement und Produktion tragen das ihre zur hohen Qualität des Albums bei. Nicht immer musiziert Roland in voller Bandbesetzung, und wenn er dies tut, dann zwar mit rockiger Attitüde, aber einem in der Wucht gebremstem Ergebnis, das auf diese Weise Spannung erzeugt. Sofern die Songs nicht grad romantisch, melancholisch oder sonstwie zart gespielt sind, was auf dem Album auch mal vorkommt. Zum Instrumentarium gehören auch Violinen, Slidegitarren und Pianos, perfekt in den Sound integriert. Der kann, der Mann. So geht gute Popmusik.
Der postulierte Steampunk liegt bei Roland in den Inhalten, laut Internet verweigert er sich zeitgenössischen Themen und blickt lieber auf alles, was man großflächig mit „vintage“ etikettieren kann. Als Song ist das alles auch okay. Doch ist Roland auch ein überbrodelnder Sachbuchautor, der eine Auswahl seiner Buchcover ins Booklet drucken ließ. Die Titel lesen sich wie ein Querschnitt aus dem Erika-Klopp-Verlag: „Dark History of the Occult“, „Contact Your Guardian Angel“, „Kaballah Cards“, „In the Minds of Murderers“, „Nazis and the Occult“, „Explore Your Past Lives“ und dazwischen Werke über seinen Helden Marc Bolan. Soll er doch. In seiner Musik schlägt sich dieser Quatsch gottlob nicht nieder, da ist er ein Guter. Man muss das andere nur ausblenden können.