Von Matthias Bosenick (04.11.2015)
Der Film über die Residents ist so schräg wie die Band und wird ihr damit im Grunde gerecht. Wer nun erwartete, nach anderthalb Stunden echte Blicke hinter die Augenmaskerade zu bekommen, hat das Konzept nicht verstanden. Auch ist „Theory Of Obscurity“ keine chronologische Nacherzählung der Bandgeschichte, sondern vielmehr eine Betrachtung des Effektes, den die Band auf ihr Umfeld, die Medien und die Musikszene an sich hat. Immer noch, sie sind nämlich weiterhin aktiv. Der Film beinhaltet zwar den üblichen Mix aus Archivmaterial, Liveperformances und Interviewsequenzen, aber eben mit einer anderen Strukturierung. Am Ende will man den Kühlschrankinhalt haben, den das Museum Of Modern Art erwarb.
Berühmt sind die Residents dafür, auch nach über 40 Jahren noch anonym zu sein. Ihre Maskerade ist der Ruf, der ihnen vorauseilt, und den mehr Leute kennen als nur einen Ton ihrer Musik. Oder, wie jemand im Film es sagt: Der größte Hit der Band ist ein T-Shirt mit dem Eyeball-Logo darauf. Die Musik selbst erfüllt sämtliche Aspekte für das Label „Avantgarde“. Dabei erschaffen die Residents trotzdem immer auch Songs, die auch anderen als Vorlage dienen: Primus, deren Chef Les Claypool hier zu kundigem Wort kommen darf, coverten „Sinister Exaggerator“, „Hello Skinny“ und „Constantinople“, NoMeansNo spielten „Would We Be Alive?“ in ihrem eigenen Sound.
Umgekehrt haftete der Band immerzu das Gerücht an, weltberühmte Musiker anderer Bands unter den Masken zu verbergen; nicht nur Claypool, auch die Beatles kamen ins Gespräch. Wie auch immer, Unmusikalität kann man der Band definitiv nicht unterstellen, auch wenn es für ungeübte Ohren abstoßend klingen mag, was die Residents fabrizieren.
Vermutlich ist Humor das größte Pfund, mit dem die Residents an ihre Arbeit gehen, und somit der große Motivator. Für das Cover des Debütalbums „Meet The Residents“ entstellten sie 1974 das Cover von „Meet The Beatles!“. Für das Folgealbum „Third Reich’n’Roll“ warfen sie mit faschistischen Symbolen nur so um sich. Sie vollendeten ihren Film „Vileness Fats“ nie, trotzdem errang er einigen Legendenstatus. Sie scharten haufenweise Künstler um sich, die sich der „Theory Of Obscurity“ unterordneten, der zufolge die künstlerische Wirkungsmacht am größten ist bei geringster Nähe zum Künstler.
Und sonst so? Das Museum Of Modern Art in New York erwarb eines von vier Komplett-Sets der Band, mit einem der originalen Eyeball-Kostüme sowie sämtlicher veröffentlichter Musik, was nun wirklich mal extrem viel ist und bestimmt auch mit dem jüngsten Album „Shadowland“ nicht aufhört. Dean und Gene Ween sowie Devo unterstreichen den – hörbaren – Einfluss der Residents auf ihre Arbeit. Man erfährt etwas über Ralph Records, dem Label, auf dem die Residents auch Künstler wie Yello, Fred Frith und King Kurt veröffentlichten. Außerdem coverten die Residents gern andere Bands, berühmt ist ihre Version „It’s A Man’s Man’s World“ von James Brown. Ihr größter Einfluss war sicherlich Captain Beefheart. Schon Mitte der Neunziger experimentierten die Residents mit damals neuen Medien wie der CD-Rom. Und so weiter.
Letztlich will man nach dem Film sofort zu Hause die Platten hören. Die Musik mit ihrem elektronischen Fundament, auf dem ein Young-Marble-Giants-artiges Pluckern sitzt, zu dem entstellte Gitarren beinahe schöne Melodien beisteuern, das Sänger Randy mit seltsamen Texten und eigenwilliger Stimme erst zu Songs macht. Famos.