Von Matthias Bosenick (06.08.2015)
Wer Flix als schnöden Witzebildchenzeichner abtut, verpasst ein Universum warmherziger, selbstreflektierter und fabelhaft gezeichneter Geschichten. Humor kommt in ihnen natürlich auch vor, aber es ist kein handelsüblicher Nonsens, sondern ein die vorhergenannten Attribute einhaltender. So auch in „Schöne Töchter“, einem großformatigen Sammelband mit den Einseitern, die Flix seit fünf Jahren monatlich für den Berliner „Tagesspiegel“ anfertigt. Darin untersucht er die Liebe mit allen erdenklichen Aspekten und Referenzen. Und mit vielen Abschweifungen, die eher indirekt mit dem Thema zu tun haben.
Flix‘ Geschichten sind von tiefer Emotionalität und psychologischen Versiertheit geprägt. Ja, beides passt zusammen, bei Flix sogar ausgesprochen gut. Er lässt Tränen zu, seien sie aus Trauer oder aus Freude, und analysiert dabei die Gründe für die Ausbrüche, ohne wissenschaftlich oder belehrend zu erscheinen. An anderer Stelle bleibt er auf der schlichten Ebene der unterschiedlichen Planeten, auf denen Männer und Frauen vermeintlich leben, widmet diesen Planeten aber einen liebevollen Blick, der sich nicht in Mario-Barth-Klischees und Sexismen verliert.
Seine Figuren erleiden und erleben Schicksale von geglückter Beziehung bis gescheiterter Anmache und allem dazwischen. Auch bildet er den in die Jahre gekommenen Beziehungsalltag zwischen Routine und der Abweichung davon ab. Und er lässt die Figuren über ihre eigene Situation, ihre Wünsche, deren Erfüllungen und die Optionen nachdenken, die noch offen sind. Interessant ist dabei, dass Flix sehr oft den Blickwinkel von Frauen einnimmt; und das nicht nur, weil er den Mann und damit sich selbst kritisch hinterfragt, sondern weil er sich der weiblichen Themen annimmt. Man müsste Frauen fragen, ob sie sich wirklich darin wiederfinden; der latent sensible männliche Leser empfindet die Darstellung als gelungen empathisch. Oft ist Flix schonungslos: Er kann davon ausgehen, dass seine Leser die handelsüblichen Irrungen im Liebesleben selbst erlebt haben, und wenn er weiter davon ausgeht, dass es zumindest einigen von ihnen auch mal gegeben ist, sowohl das Gelingen als auch das Scheitern zu durchleuchten, kann er sich sicher sein, dass er genau denen mit manchen Geschichten emotional den Teppich unter den Füßen wegzieht. Man muss bei der Lektüre oft schlucken.
Damit nicht genug: Flix mag selbst auch die Kulturgüter anderer Künstler, etwa „Die drei Fragezeichen“, „Fluch der Karibik“, „Der kleine Prinz“, „Star Trek“. Er befasst sich auch mit den Umwegen der modernen Partnersuche im Internet, dem aus medial angepriesenen veränderten Lebensumstellungen resultierenden Selbstwertgefühl, Arbeitsbeziehungen über die partnerschaftliche hinaus, Depressionen, späten Eltern.
Nicht zuletzt, sondern ganz gewichtig, sind Flix‘ Seiten einfach schön zu betrachten. Er legt Wert auf Abwechslung, keine zwei Seiten gleichen sich in der Aufmachung. Flix experimentiert mit der Lesefolge, mit dem Inhaltsaufbau, mit Hintergründen, mit Leere. Darin unterscheidet er sich maßgeblich vom Bildchenwitzezeichner und etabliert sich als Künstler. Als Inspiration gibt er übrigens „Clavin & Hobbes“ an.
Zur Optik gehört, dass die knapp 60 Bilder die Doppelseiten des Buches nur einseitig bedecken. Für die gegenüberliegende Seite fertigte Flix eigens kleine thematisch passende Skizzen an und hinterlegte sie mit der monochromen Grundfarbe des Strips. Das bedeutet, dass das Buch nur halb so viel Inhalt hat, wie es vorgaukelt; den Wert mindert dies aber nicht.
Huh, ja. Ein wahrhaftig schöner Ritt durch die Gefühlslagen. Lohnt sich, wie auch die „Helden“-Trilogie und „Don Quijote“. Auch den Rest wird sich der Rezensent noch zulegen.