Von Matthias Bosenick (25.07.2015)
So kehren sie nach einiger Zeit der Stille also wieder zurück auf den Tanzflur, die Chemical Brothers. Man spricht davon, dass der Vorgänger „Further“ von vor fünf Jahren eine musikalische Ausnahme zum üblichen Oeuvre dargestellt habe und dass „Born In The Echoes“ wieder zu alter Form zurückkehre, doch stimmt dies nicht ganz. Zum einen lag „Further“ deutlich dichter an der logischen adulten Fortentwicklung dessen, was die Chemical Brothers als Bigbeat-Miterfinder und Dance-Connaisseure bislang produziert hatten, und zum anderen ist „Born In The Echoes“ zwar tatsächlich in gewisser Weise retro, aber nicht vordergründig auf sich selbst bezogen, also auf die Hochzeit Ende der Neunziger und Anfang der Nuller, sondern auf die Zeit weit davor, nämlich Endachtziger-Acid-House und Frühachtziger-Minimal-Electro. Sol heißen: Die neuen Tracks sind vergleichsweise leer, nicht so üppig ausgestattet wie die alten. Das hinterlässt zunächst einen unbefriedigten Eindruck, aber das Album wächst, und wie immer bleiben nach einigen Durchlaufen die Songs hängen und kommen die Beine in Bewegung.
Wo sonst die wildesten Geräusche durcheinanderflirrten und die Sirenen nur so schrien, beschränken sich die Brüder dieses Mal auf den Beat, den Basslauf, markante (Gesangs-)Melodiesprengsel und dezent eingesetzte Schrilleffekte. Diese Leere innerhalb der Tracks befriedigt nicht die Erwartungen, die man an ein ChemBros-Album hat; man ist enttäuscht und leicht verwundert. Aber man kennt ja seine Pappenheimer, lässt das Album also mehrmals laufen – und stellt recht bald fest, wo sich die neuen Songs ins Ohr verbeißen. Und dass sie sich dort dann wohlfühlen.
Damit vermeiden die Brüder, sich zu wiederholen, wenngleich hier und da der ein oder andere bekannte Sound irgendwo auftaucht, aber selten so dominant, dass man von einer kompletten Selbstkopie sprechen kann (außer in „Reflexion“), sondern sie vielmehr als Signatur auffasst. Verknappung ist hier das Zaubermittel: Auf den ersten Eindruck überwiegen die längeren repetetiven Beatpassagen, doch gerade damit bekommen die vermeintlich seltenen Elemente mit gesungenen und gespielten Melodien noch mehr Ohrwurmgewalt. Zudem haben die Brothers ein reiches Angebot an anspruchsvollen Sounds und Effekten, bis hin zum eklatant live klingenden Schlagzeug auf „I’ll See You There“. „Just Bang“ klingt nach 808 State Ende der 80er, oldschooliger Acid House. Atmosphären können sie, auch mit Leere. Kunst!
Auf „Further“ fehlten sie, hier sind sie wieder im Boot: die Gastsänger. Dieses Mal mit einigen Überraschungen wie Beck und St. Vincent, aber auch dem Wiederholungstäter Q-Tip, der die Referenzsingle „Go“ wie weiland „Galvanize“ berappt. Das kommt gut, auch, dass mit Annie Clark und Cate Le Bon mal zwei Frauen die Songs veredeln.
Anfangs konzentriert man sich so sehr auf die Musik, weil man sich und seine Erfahrungen mit den ChemBros wiederfinden will, dass der Körper mit seinen Bedürfnissen hinter denen des Geistes zurückbleibt. Das ändert sich bald: Man kann nicht stillhalten, selbst wenn man das Album zu Hause beim Frühstück hört. Jau, das Ding zwingt – auch mit zwischengestreuten sanfteren Stücken – zum Tanzen. Erwachsenwerden kann also auch Spaß machen.
Die limitierte Version hat vier Tracks mehr, davon sind aber zwei lediglich längere Fassungen von Album-Tracks. Ursprünglich sollten die wohl auf einer separaten Bonus-CD erscheinen, nun hängen sie aber der Einfachheit und dem durchgängigeren Hörvergnügen halber einfach hintenan. In Japan wird man zudem mit einem fünften zusätzlichen Track beschenkt.