Von Matthias Bosenick (19.07.2015)
Über „Dänische Delikatessen (De grønne slagtere)“ und „Adams Äpfel (Adams æbler)“ lachte man vor zwölf und zehn Jahren, weil man den Humor schwarz und subversiv fand. Mit dem Blick zurück als, nun, etwas Erwachsenerer beschleicht einen der Eindruck, dass die Filme doch recht albern und nur pseudoprovokant waren. Regisseur Anders Thomas Jensen und sein damaliges Ensemble legen nun mit „Men & Chicken“ nach, und mit dem Eindruck der Vorgänger im Hinterkopf und dem doch recht klamaukigen Trailer vor Augen fragt man sich, ob man sich den Film wirklich antun muss. Man überredet sich selbst und kommt zu Folgendem: einer halben Handvoll guter Gags sowie der Erkenntnis, dass man sich den Film dafür nicht antun muss.
Der Film hat keine klare Linie, er will zu viel gleichzeitig sein und ist doch nichts davon konsequent und überzeugend. Zudem erweckt er den Eindruck, Jensen habe so ziemlich alles hineinpacken wollen, was irgendwie Anstößig ist. Der Reihe nach: Zwei missgestaltete Brüder erfahren, dass ihr richtiger Vater auf einer dänischen Halbinsel („Ork“, gibt es nicht) mit diversen Frauen weitere Söhne zeugte und dass man von den jeweils richtigen Müttern nichts wisse. Vor Ort erwarten die beiden drei weitere missgestaltete Männer mit abnormen Eigenschaften. Recht schnell finden die beiden Neuankömmlinge heraus, dass der Vater schon lange vor sich hin verwest und dass er im Keller ein verborgenes Labor eingerichtet hatte. Kurzum: Meistens dreht es sich um Sex mit Tieren.
Man hat also fünf halbinsulär abgeschiedene degenerierte Spinner, die sich ständig gegenseitig brutal verprügeln, wenn sie nicht ihre Hühner zu Übungszwecken missbrauchen, für den Fall, dass sich doch mal eine Frau in ihre Finger begeben sollte. Die fünf Charakterzeichnungen sind so stark auf Absurdität gedrechselt, dass sie unglaubwürdig und damit beliebig erscheinen. Die zugeordneten tierischen Charakteristika sind nur halbherzig; einer muss permanent wie ein Zuchtbulle manuell seinen Samen absondern, einer ist wie eine Maus scharf auf Käse – die anderen bleiben tierisch unbestimmt. Die halb „Akte X“-gruselige, halb irre Mad-Professor-Nummer verliert dabei in diesem abstoßenden Brei aus Sodomie und Paarungswillen ihre gruselige Wucht. Und die Romanze des einen halbwegs sachlichen Bruders möchte man der beteiligten Frau eher ausreden als sich emotional mit ihr zu freuen. Inmitten der Geschmacklosigkeiten gehen die guten Gags beinahe verloren, sie zerschellen an ihnen.
Und gute Gags, die gibt es tatsächlich. Gelegentlich muss man schmunzeln, manchmal sogar lachen. Man vergisst diese Gags nur wieder, weil sie der Tsunami der Abscheulichkeiten wegreißt. Gute Dialoge übrigens gehören nicht in erster Linie zu den Knallern. Loben muss man derweil die Schauspieler, die definitiv Mut zur Hässlichkeit haben. Weltstar Mads Mikkelsen beweist sein wahrhaftiges Startum, indem er sich trotzdem auf so etwas einlässt. Thematisch passend sind die sepiafarbenen Bilder, in denen das heruntergekommene Sanatorium, das die Kulisse bildet, angemessen zur Geltung kommt. Vereinzelte Sequenzen sind sogar recht angenehm zu verfolgen, etwa die wissenschaftlichen Abhandlungen des einen Bruders bei der Gute-Nacht-Lektüre, die immer aus Sachbüchern besteht; besonders die Nacherzählung einer Bibelgeschichte zeugt von Sachverstand und erzeugt Humor. Davon hätte es mehr geben sollen.
Das Absurde erscheint in diesem Film zu sehr als künstlich generiert, um wirklich noch als absurd zu wirken. Es ist viel zu weit von der Realität entfernt, als dass man einen Bezug zum eigenen Erleben finden und daraus Humor schöpfen könnte. Jensen scheint „Absurdität“ zudem mit „Geschmacklosigkeit“ zu verwechseln, denn andere Filme belegen, dass man auch mit stilsicherem Geschmack absurd sein kann. „Men & Chicken“ ist leider viel zu plakativ geraten und zu weit übers Ziel hinausgeschossen. Immerhin, eine Sache funktioniert: So richtig im Slapstick versinkt der Film nicht, dafür nimmt er seine Figuren viel zu ernst. Erstaunlich, dass das zusammen stattfinden kann. So bilanziert man, dass der Film zwar nicht scheiße ist, aber man ihn trotzdem nicht mögen kann.