Von Matthias Bosenick (27.03.2015)
Umtriebig ist er ja nach wie vor, der Matt Johnson. Er lässt nur sein Projekt The The in der Form als songorientierte Band etwas auf der Strecke bleiben. Seit 1999 gab es kein reguläres Album mehr, offenbar deshalb, weil er sich mit dem ausbleibenden Erfolg von „NakedSelf“ unzufrieden sieht. Stattdessen nutzt er den Projektnamen, um darunter experimentelle Soundtracks zu nicht minder experimentellen Filmen zu veröffentlichen. „Hyena“ ist bereits der dritte in dieser Reihe. Es dominieren stille und noisige Sequenzen – und erstmals auch technoide Dancetracks. Auf Johnsons Stimme muss man indes weiterhin verzichten, leider.
Es fällt schwer, in der Musik der drei Alben „Tony“, „Moonbug“ und „Hyena“ den liebgewonnenen Sound von The The wiederzufinden. Noch am ehesten gelingt dies auf dem jüngsten Werk auf dem 20. und letzten Track, „Everybody Wants To Go To Heaven (But Nobody Wants To Die)“. Hätte jener Gesang, man könnte ihn glatt für die Zukunft von The The halten. Auch im Intro schwingt The The latent mit, verflüchtigt sich dann aber über die nächsten 18 Tracks. „Hyena“ erinnert an manchen Stellen an die flächigen Soundtrackarbeiten, die Trent Reznor jüngst ablieferte; damit schlägt Johnson die Brücke zu seinem früheren Labelchef, denn „NakedSelf“ erschien auf Reznors Label Nothing. Doch ist Johnson bisweilen harscher als zuletzt Reznor, was man kaum glauben mag. Einige Stücke bestehen aus langgezogenen verlangsamten Sirenen, die sich ins Gehör kratzen. Das ist wie eine Single von The Chemical Brothers auf die beatlosen Effekte reduziert und auf 33 1/3 gespielt. Manche Stücke sind langsam rotierende, elektronische Drones. Beats wie in „Blue Eyes“, „Fear Porn“, „Take Me Away From All This“ oder „Bait And Switch“ hingegen locken wiederum nicht auf die Tanzfläche, sie begleiten lediglich die dunklen, bedrohlichen, fast industriellen Atmosphären der stilleren Tracks.
Dieses Album zu hören, ist letztlich schwierig. Die Stimmungen wechseln zu sehr, man kann es weder zum gemütlichen Gruseln noch zum flotten Autofahren goutieren. Die Musik selbst bietet auch nicht sonderlich viel Neues, zumindest außerhalb des The-The-Universums. Und es fehlen die Bilder, womöglich haben die Sounds eine andere Bedeutung, wenn man den Kontext dazu kennt. Wozu also sollte man sich „Hyena“ zulegen?
Als Komplettist, in erster Linie. Johnson ist als Komponist, Musiker und Sänger einfach mal großartig. Er ist gleichzeitig abwechslungsreich und wiedererkennbar. Seine Songs in den 80ern bestanden oft aus repetetiven Rhythmusunterbauten, über die er mit diversen Instrumenten improvisierte. Sein Pop war nie simpel, sein Experiment nie unhörbar. In den 90ern verstärkte er den Einsatz von Gitarren. Zugrunde lag seinen Stücken immer etwas Dunkles, Sehnsuchtsvolles – aber nie Depressives. Er wusste die Stimmungen von Melancholikern und Grüblern außerdem auch inhaltlich zu bedienen. Auf „Hyena“ nun zerlegt er seine Fähigkeiten in deren Komponenten. Wer weiß, was passiert, wenn man alle drei Soundtracks gleichzeitig abspielt.
Man dürstet jedenfalls nach neuer Musik von Matt Johnson. Dabei ist die Liste seiner unveröffentlichten Alben seit 1978 mindestens so lang wie die seiner veröffentlichten. Für 2007 war zuletzt ein Album angekündigt, das er wie so viele andere bis heute schuldig ist. Aber man kann zur Not ja auch seine Nebenprojekte sammeln: Anfang der 80er spielte er mit Marc Almond bei dessen Projekt Marc And The Mambas und bei The Gadgets. Umgekehrt hatte The The mindestens so viele Kollaborateure wie Pigface, deren Oeuvres es sich einzuverleiben lohnt; darunter teilweise erst später namhaft gewordene wie Neneh Cherry, Sinéad O’Connor, Steve Hogarth (als Keyboarder), JG Thirlwell (Foetus), David Johansen, Jools Holland, Lloyd Cole oder The-Smiths-Gitarrist Johnny Marr, der eine Zeitlang sogar offizielles Bandmitglied war. Denn The The war im Ursprung keine Band, vielmehr erhielt Matt Johnsons Debüt „Soul Mining“ erst in späteren Auflagen den Stempel „The The“.
Und nun, natürlich ist „Hyena“ auch irgendwie gut. Und es ist ein schönes Sammel-Objekt: Alle drei Soundtracks-CDs der Cinéloa-Filmserie kommen in einem dicken Buch mit Filmstills, sind also etwas fürs Auge und fürs Regal. Die ersten 100 Ausgaben von „Hyena“ signierte Matt Johnson zudem persönlich – der Rezensent freut sich über seine eigene Schnelligkeit.