Von Matthias Bosenick (30.01.2015)
Ganz überraschend stellen die Gothicrocker NFD kurz vor Jahreswechsel das eigentlich bereits für 2012 angekündigte und danach fast schon vergessene neue Album „Waking The Dead“ in die Plattenläden. Und überraschen damit auch musikalisch: Bleiben sie zwar in Sachen Gitarre, Bass und dunkelrauher Stimme ganz klar der alten Fields-Schule treu, werden ihre Songs indes progressiver und reichern NFD ihre Musik auch mal mit opulenten Streichern und Chören an, das wiederum auch ganz so, wie es die Fields Of The Nephilim schon vormachten. Wischt man die extrem selten und nur zaghaft um die ein oder andere Ecke schielenden Klischees des Gruftrock beiseite, kann man das neue Album nur und in höchsten Tönen loben. Gut gemacht!
Gleich der Opener, das Titelstück, ist ein satter Zehn-Minuten-Kracher, mit seiner Gitarrenarbeit und seiner Elegie beinahe in Richtung finnischen Gothic Metals abdriftend. Nur beinahe zum Glück, NFD klingen einen ordentlichen Schub ernsthafter als jene Vertreter. Und anders als viele Epigonen wie etwa die Merciful Nuns sind sie nicht in einer akribischen Historifizierung des Genres gefangen, um so authentisch klingend wie möglich die Schubladenhörer zu erreichen, denn schließlich haben die NFD-Bandmitglieder das Genre miterfunden und können sich den Luxus und die Notwendigkeit leisten, darauf aufzubauen, den Horizont zu erweitern und damit die Todesstarre zu umgehen, in die andere marktschreierisch verfallen. Man hört zwar, dass die alten Männer die Fields-Discographie vor dem Studiotermin nochmal durchrecherchiert haben, aber nicht, um sie zu kopieren, sondern, um sie weiterzuentwickeln. NFD sind mutiger als der Nachwuchs. Sie sind Härter, technisch versierter, kompositorisch abwechslungsreicher, streckenweise sogar wesentlich schneller. Während die Nachahmer ausschließlich aus der Genresuppe löffeln, gestatten sich die Erfinder den Blick über die Tellerränder hinaus, was ja nun nicht verwundert, denn wenn man etwas erst erfindet, kann man sich daran ja noch nicht orientieren. Die NFD-Mannen kennen offenkundig die Harmonie von Pink Floyd und die Riffs von Led Zeppelin, zum Beispiel.
Erstaunlicherweise ist „Waking The Dead“ sogar stimmiger als die Vorab-EP „Reformations“ aus dem Jahr 2013. Zwischen der und dem bis dato letzten Album „Deeper Visions“ von 2008 hatte die Band mit diversen Umbesetzungen zu kämpfen; die EP klingt wie eine Standortbestimmung, die sich zu sehr auf Elemente verlässt, die bei den Hörern bereits zu Wohlwollen geführt hatten. Ein Nummer-Sicher-Lebenszeichen sozusagen. Das ist „Waking The Dead“ nicht mehr. Es erfreut die alten Fans, die schon die Fields, Sensorium, The Eden House, Rubicon und wie die Projekte alle heißen im Schrank haben, denn NFD lassen den Geist der alten Goth-Rock-Tage nicht nur weiterleben, sondern wiederbeleben, mit frischem Glanz und – man mag es angesichts der dunklen Musik kaum glauben – positiver Energie. Tony Pettitt und Peter ‚Bob‘ White sei Dank.