Von Matthias Bosenick (20.05.2012)
Warum macht man so etwas? Ein Doppel-Album, wahlweise als CD oder LP (die CD hat zwei Tracks mehr), im dudeligen Ambient-Stil, den vor 40 Jahren bereits Jean Michel Jarre etablierte. Okay, Nothing But Nosie sind deutlich weniger massen- oder radioorientiert, weil experimenteller. Sie lassen sich noch mehr Zeit für ihre Soundscapes. Die bestehen nicht aus durchgehenden Flächen, sondern aus Patterns und Loops, haben ungefähr die BPM-Zahl eines durchschnittlichen Tracks von Bohren & der Club Of Gore und sind rein elektronisch erzeugt. Eine musikalische und stimmungshafte Tiefe ist dem Album nicht abzusprechen. Und doch: Etwas wahrhaft Neues bekommt man eigentlich nicht. Das Kaufargument besteht indes in der Besetzungsliste dieses Projektes.
Als Fan der EBM-Erfinder Front 242 hat man sich daran gewöhnt, in 19 Jahren gerade mal ein Studio-Album und diverse Live-Mitschnitte seiner Band bekommen zu haben. Also greift man nach jedem Nebenprojekt, das sich anbietet, und wird in der großen Mehrheit nicht enttäuscht. Ohne diesen 242-Querverweis wäre „Not Bleeding Red“ sicherlich weit weniger Aufmerksamkeit zuteil geworden. Nothing But Noise bestehen aus Daniel Bressanutti, Dirk Bergen und Erwin Jadot. Bressanutti, zumeist schlicht als „Daniel B.“ bekannt, ist Gründer und immer noch Mitglied von Front 242. Er ist das Haupt-Kaufargument, denn seine vorherigen Projekte Male Or Female und Speed Tribe waren bombastisch gut. Dirk Bergen ist ebenfalls Front-242-Gründer, verließ die Gruppe aber bereits nach dem Debüt „Geography“. Jadot indes war 2005 mit seinem Projekt Dream Invasion in Erscheinung getreten – an dem als Produzenten und Mischer Bressanutti und Bergen beteiligt waren.
Tja. Und mit diesem Fachwissen hört man „Not Bleeding Red“ eben mit ganz anderen Ohren und findet es plötzlich kreativ, spannend und musikalisch absolut wertvoll. So ist das mit Fans. Zumindest eignet sich das Album vortrefflich zum Einschlafen.