Cavalera Conspiracy – Pandemonium – Napalm Records 2014

Von Matthias Bosenick (26.11.2014)

Opa macht mal einen auf Jugendkultur: Max Cavalera (45) postuliert, dass das dritte Album seiner Conspiracy mit Bruder Ig(g)or und zwei Gästen Grindcore enthalte. Hört man „Pandemonium“, bekommt man den Eindruck, der Mann wisse nicht, worum es sich bei Grindcore überhaupt handelt. Man mag vielleicht entsprechende Einflüsse heraushören, aber die Grenzen sind wie üblich fließend. Und das Ergebnis ist vielmehr temporeicher Thrash-Metal mit gelegentlichen Spielereien. Schade nur, dass sich das Vorabgerücht nicht bewahrheitete, James Murphy von LCD Soundsystem würde das Album produzieren. Tat er nicht, aber das klingt nach einer extrem spannenden Konstellation. Bitte nicht aus den Augen verlieren.

„Pandemonium“ ist hart, schnell und wüst. Die Cavalera-Brüder schrieben sich zwar den Grindcore auf die Fahnen, aber eigentlich greifen sie auf ihr eigenes musikalisches Erbe zurück, ungefähr bis zu „Roots“ 1996, bevor Max ausstieg, um Soulfly zu gründen. Heißt: rifflastige Thrash-Stampfer, flirrende Gitarren, gelegentliche Tribal-Samples, Hüpfe-Passagen, Gegrunze und Geschrei. Das können die Cavaleras einfach so gut wie sonst niemand. Gelegentliche Drummachinesprengsel rufen sogar Erinnerungen an Maxens Interimsprojekt Nailbomb wach. Etwas reinrassig Neues bietet das Album indes nicht, aber so ist es im Thrash-Metal eben. Da punkten Qualität und Intensität, nicht Innovation und Originalität. Hauptsache, man hat beim Hören Spaß. Und den hat man.

Aber Grindcore? Fragt man Beteiligte, also Musiker, die Grindcore machen, dann grenzen sie sich vehement dagegen ab, überhaupt in die Metal-Schublade gesteckt zu werden. Alle Spielarten mit der Endung „-core“ kommen aus dem Punk, heißt es dort. Unbedarfte mögen mit den Schultern zucken und sagen: Ist hart, groovt, hat Riffs – ist Metal, oder: Ist mir doch egal. So muss es Max, der das Album nahezu im Alleingang komponiert und produziert, also seinem Bruder und dem Rest diktiert, hat, auch gegangen sein. Als Etikett jedoch könnte es neue Hörerschaften anlocken, mag der Gedanke gewesen sein.

Wie auch immer. „Pandemonium“ mörtelt mächtig los, und mehr will man auch nicht. Es ist gut produziert, klingt warm, ist mit den mannigfaltigen Sound-Ideen zwischendurch angenehm abwechslungsreich, groovt ordentlich, lässt kaum bis keine Wünsche offen. Außer eben den, dass James Murphy doch mal bei den Brüdern vorbeischauen sollte. Wie das wohl geklungen hätte. Progressiver Dance-Thrash? Aber die Absage der Cavaleras ist deutlich, heißt doch ein Track auf dem Album „Not Losing The Edge“, ist also das Gegenteil zum alten LCD-Soundsystem-Smasher „Losing My Edge“.

Fragwürdig einfallslos sind allenfalls Cover und Titel des Albums. Mit dem bunten Gekrickel, das einen beflaggten Totenkopf-Panzer mit Buchstaben zeigt, weichen sie von ihrer Corporate Identity ab, die beiden großen, eckigen Cs als Eyecatcher aufs Cover zu platzieren. Uh, soll heißen: Ihr wiederkehrendes optisches Merkmal fehlt vorne. Und „Pandemonium“ ist kein sonderlich einzigartiger Titel: Ein Album und eine Single von Killing Joke hießen so (1994), eine Live-DVD und ein Album-Track von den Pet Shop Boys (2010 bzw. 2009), ein Album von den Pretty Maids (2010) – und das sind nur die bekannteren Ein-Wort-Beispiele. Sie hätten doch den ursprünglichen Titel „Babylonian Pandemonium“ beibehalten sollen, wie es das Cover-Artwork und der Titel des Eröffnungstracks noch andeuten, der ist witziger. Nervig ist auch die typische Methode, das Album limitiert mit zwei (absolut unverzichtbaren) Bonus-Tracks zu veröffentlichen. Das haben sie von ihrem früheren Label Roadrunner gelernt. Immerhin kommt diese Version zeitgleich mit der normalen heraus, nicht erst später, wenn alle Fans das Album schon haben. Vollkommen unverständlich ist jedoch, warum Streaming-Dienste beide Album-Versionen anbieten. Wer hört sich denn…?