Von Matthias Bosenick (16.11.2014)
„The Salvation“ ist als Film gut gelungen und als Western routiniert. Inhaltlich kompakt, optisch beeindruckend, spannend, doch letztlich lediglich die zeitgenössische Dänische Variante des uralten Spaghettiwesterns. Die Schnörkellosigkeit ist seine Stärke, es gibt keinerlei Redundanzen. Die Musik passt, Mads Mikkelsen spielt großartig, die Gewalt findet nicht im Exzess statt – das sind gut verbrachte anderthalb Stunden.
Die Handlung lässt sich in einem Satz summieren: John erschießt die Typen, die seine Frau und und sein Kind misshandelten und töteten, ohne zu wissen, dass einer davon der Bruder des lokalen Obergangsters Delarue ist, der sich nun an John dafür rächen will, aber seinerseits dessen Rache zu spüren bekommt. Fertig. Das ist klassischer Westernstoff, eigentlich sogar klassischer Hollywoodstoff, denn Selbstjustiz zieht dort immer. Doch Levring setzt Akzente: Seine Hauptfiguren sind ausgewanderte Dänen, die 1870 im Krieg gegen die Deutschen kämpfen mussten und entsprechend zäh sind und mit Waffen umgehen können. Es ist vergnüglich, Leute in einem Western Dänisch reden zu hören. Der Rest bleibt wie bei Sergio Leone: Der Held leidet und schweigt und verkneift sich dumme Sprüche, sobald er seine Peiniger erwischt. Was Levring besser macht, ist, dass er auf retardierende Momente verzichtet und John seinen Weg recht geradlinig gehen lässt. Auch sieht man nicht den Missbrauch von Johns Frau oder andere unnötige Gewalt, auch der Showdown findet angenehmerweise beinahe beiläufig statt, nicht so elend heroisierend herausgezögert.
John und sein Bruder Peter sind wortkarge, harte, loyale und besonnene Menschen. Selbst würden sie nie mit Gewalt beginnen, sind aber in der Lage, auf Gewalt zu reagieren, und das sogar recht kreativ. Interessante Figuren sind auch die Bewohner der von Delarue terrorisierten Kleinstadt; alle beugen sich dem tödlichen Diktator und hoffen scheinheilig auf Erlösung. Lediglich der Böse selbst bleibt relativ gesichtslos, er wirkt nicht als Person, sondern nur über seine Methoden. Und die lassen selbst den pazifistischsten Betrachter jede Form von Selbstjustiz in Erwägung ziehen. Die brutale Omnipotenz Delarues scheint unbesiegbar zu sein. Levring erzeugt damit eine umwerfende Spannung.
Größtes Gut Levrings ist hier seine Bildgewalt. Er weiß seine Kamera einzusetzen und kreative Kamerafahrten und Perspektiven einzubauen. Obgleich seine Landschaften und Gebäude computergeneriert sind, beeindrucken die Bilder und wirken nicht wie in einem Egoshooter. Die Musik erinnert zunächst an klassische Westernmotive und wechselt bald fast unbemerkt in die Moderne, wenn plötzlich verhaltene Synthiebeats ertönen. Und es ist eine angenehme Überraschung, Ex-Fußballstar Eric Cantona als Delarues Handlanger nach „Looking For Eric“ erneut im Kino zu sehen.
Es ist korrekt, dass „The Salvation“ nichts Neues erzählt und dem Western kein erinnerungswürdiges Update aufsetzt. Ausnahmen wie „The Quick And The Dead“ oder „Django Unchained“ zeigen, dass man auch das vermeintlich ausgelutschte Genre interessant erneuern kann. Dennoch ist „The Salvation“ ein absolut sehenswerter Film.
Übrigens ist Levring der vierte Mann der Dogme95-Runde. Vor 19 Jahren unterzeichneten vier Dänische Regisseure das „Dogma 95“, in dem sie aus einer Bierlaune heraus zehn Regeln für kreatives und limitiertes Filmemachen gegen den Mainstream aufstellten. Von den extrem polarisierten Reaktionen waren sie selbst überrascht und verpflichteten sich, jeder einen Film nach diesen Regeln (und ausgewählten Ausnahmen davon) zu veröffentlichen. Drei schafften es in Deutschland zu Ruhm: „Idioterne“ („Idioten“) von Lars von Trier, „Festen“ („Das Fest“) von Thomas Vinterberg und „Mifunes sidste sang“ („Mifune“) von Søren Kragh-Jacobsen. Der vierte Film hat es nie nach Deutschland geschafft: der grandiose „The King Is Alive“ von Kristian Levring. Unverständlich.