Interstellar – Christopher Nolan – USA 2014

Von Matthias Bosenick (09.11.2014)

Drei Stunden. Drei Stunden für was? „Interstellar“ hat so wenige überzeugende Momente, dass selbst die Hälfte der Spielzeit noch zu viel gewesen wäre. Der Film bleibt viel zu weit hinter seinen Möglichkeiten zurück: flache Charaktere, wenig Handlung, bekannte Effekte, uninspirierte Kamera, spinnerte Story. Bis endlich etwas Bewegung ins Spiel kommt, lümmelt man sich längst abwesend in den Sesseln. Und fragt sich am Ende, was das eigentlich alles sollte.

Dem Film fehlt es zuvorderst an Seele. Die Figuren agieren, weil sie es laut Drehbuch müssen, und nicht, weil die Charaktere sich zu irgendetwas getrieben fühlen. Man nimmt ihnen nichts ab, keine Initiative, keine Angst, kein Mitleid, keine Trauer, keine Reue, keine Liebe. Nur der sich als Böser entpuppende Wissenschaftler auf einem Planeten zeigt, wenn auch komplett unlogische, so immerhin eigene Interessen und weicht vom Charakterbrei der anderen ab. Die Tochter der Hauptfigur kann man vielleicht noch als gelungen charakterisiert mitzählen, aber nur indirekt: Über ihren Charakter wird lediglich gesprochen, aber man nimmt ihn kaum selbst wahr. Das alles ist schädlich für die Dramaturgie, weil man sich von keinen Wendungen überrascht fühlt und bei keinem wie auch immer gearteten Abschied mittrauert. Es ist einem egal. Und dauert daher viel zu lang.

Zweitens fehlt es ihm an Atmosphäre. Viel zu deutlich klaut Nolan bei Filmen wie „2001: A Space Odyssey“, „Gravity“, „Signs“ und „Children Of The Corn“. Er übernimmt streckenweise ganze Bilder oder Effekte, fügt sie aber nicht zu etwas stimmungsvoll Neuem zusammen. Seine Sequenzen sind willkürlich, die Bildkomposition uninspiriert, die Tricks banal. Er bildet ab, aber erzählt nicht. Der Zuschauer ist Betrachter, aber er staunt nicht, ist nicht Bestandteil, wird nicht hineingesogen. Und das bei dieser methusalischen Filmlänge, das ist auch eine Leistung. Zwischen all sein überzogenes Weltraum-Familiendrama mixt Nolan dann auch noch einen auf Humor programmierten Roboter, dem er vereinzelte One-Liner gönnt, die aber im Kontext unangebracht wirken. Oder zu selten kommen und damit den Film auch nicht retten können.

Richtige Überraschungen sind rar. Der Gag mit dem Baseball im Dachfenster am Ende kommt gut. Die Explosion einer Raumfähre versetzt einen Schock. Die Identität des Geistes ist ein netter, aber unausgereifter Aha-Effekt. Wenn man bedenkt, dass es sich dabei eigentlich um die Haupt-Handlung handelt, ist das schwach.

Die Handlung geht so: Cooper hat zwei Kinder und einen Schwiegervater. Gemeinsam beackern sie vollautomatisch Maisfelder und setzen sich gegen allgegenwärtigen Staub zur Wehr. Als er und seine Tochter Murphy in deren Zimmer Geister-Botschaften aus Büchern und Sand entschlüsseln, entdecken sie eine geheime Nasa-Basis. Dort wird Cooper dazu überredet, einen Flug durch ein Wurmloch am Saturn zu leiten, um auf der anderen Seite neue Welten zu entdecken, die die Menschheit statt der aus welchen Gründen auch immer lebensfeindlich gewordenen Erde besiedeln könnten. Die Kinder finden’s halb doof, halb okay, und trotz der Warnung des Buchgeistes macht sich der offenbar ausgebildete Pilot Cooper ohne Testläufe los, um die Überlebenden früherer Expeditionen und damit neuen Lebensraum auf entlegenen Planeten zu suchen. Unterstützung gibt es von „denen“, von denen niemand weiß, wer sie sind, und zu denen offenbar auch der Geist gehört. Nun, es geht einiges schief, gibt ein paar Spezialeffekte und Standard-Spannungsmomente, und dann schließt sich ein käsiger Kreis mit Zeitreise, Dimensionssprung und der Auferstehung der Toten, bei der Nolan nach fast drei Stunden Langeweile großzügig unterschlägt, wie sie vonstattengeht, außer, dass es irgendwas mit Liebe zu tun hat. Genau: Was soll das? Und wie sollte es das? Die Brücke zwischen dem Geist, „denen“ und der Evolution ist ja ganz nett, aber den massiven Vorlauf nicht wert und ohne einleuchtende Erklärungen auch nur eine halbgare Idee.

Interessant ist die Ausstattung des Films. Zunächst gibt es keine erkennbaren Unterschiede zur Jetzzeit, bis erstmals Technik gezeigt wird. Eine mindestens zehn Jahre alte indische Flugdrohne und ferngesteuerte Mähdrescher legen nahe, dass die Handlung sehr weit in der Zukunft spielen muss. An den Autos, Möbeln, Büchern, Kleidungsstücken kann man das aber nicht erkennen. Der Film legt mindestens 23 Jahre zurück; auch in der Zeit gibt es keine optischen Veränderungen in der Ausstattung. Ist das nun ein genialer Kniff oder faule Nachlässigkeit? Auf jeden Fall ist es irritierend. Nicht als einziger Aspekt des Films.

Eine seltsame Reihe: Erst „Prometheus“, dann „Transcendence“, nun „Interstellar“ – allesamt schockierend enttäuschende Science-Fiction-Filme. Es nimmt einem den Mut, sich weitere monumentale Sci-Fi-Großprojekte anzusehen. „Gravity“ zeigte doch, wie man es auch in Gut hinbekommen kann.