Von Matthias Bosenick (17.11.2021)
Viel Spaß beim Googeln, wer Kyrillisch nicht sowieso auf seiner Tastatur hat: Als kleine Hilfe ist die Bandcamp-Seite von зелёный дядя u сёрферы чёрной дыры auf Englisch benannt, nämlich Black Hole Surfers (und damit „Onkel Grün“, die erste Hälfte des Bandnamens, ignorierend). „In der Tierwelt“ hält sich das Trio aus Nischni Nowgorod (Нижний Новгород ), dem einstigen Gorki (Горький), auf seiner dritten EP auf, und die ist so fett produziert und dicht arrangiert, dass man das mit dem Trio gar nicht glauben kann. Die musikalischen Ideen kochen den dreien in sämtlichen Töpfen über, und es muss Zauberei sein, dass dabei nichts anbrennt. Wie soll man das beschreiben: spaciger Stoner-Fuzz-Rock mit experimentellen Elementen, Techno, Pop, Punk und einer kompakten Energie, die „В мире животных“ wie mehr als eine knappe halbe Stunde Musik erscheinen lässt. Atemberaubend!
Dabei beginnt alles so chillig: Leicht gniedelnde Gitarrenmelodie, fröhliche Synthscapes, lockeres Schlagzeug, sonnige Stimmung also, Power-Pop, und sobald die ganze Band einsetzt, von der man sich fragt, aus wem sie besteht, weil ja jetzt schon drei Leute spielen müssten, beginnt man die Kraft zu spüren, die da noch spärlich angekettet aufs Entfesseltwerden lauert. Mit dem Gesang geht es erstmal ins Spacige, nur ist die Musik für Psychedelic Rock schon jetzt viel zu vollgepackt und viel zu schnell. Speed Stoner, wenn man so will, und zwar mindestens, sobald der Flanger an der Gitarre zappelt und dem fröhlichen Synthie den Platz wegschnappt. Kurz vor Schluss nehmen alle zusammen denselben Kurs auf und man kann sich vor der geballten Energie kaum wegducken. Und das war nur der erste Track.
Verspielt ist die Musik der Schwarzlochsurfer, mit den synthetischen Popmelodien im flotten Punkstoner auf jeden Fall mutig, und nur wenige Breaks später wieder schwergewichtig und bedeutsam. Diese Elemente verknüpft das Trio unerwartet schlüssig, die Breaks sind mithin keine Brüche, sondern Brücken. Der Sound erinnert an die fette Polka der finnischen Nightingales oder den übergeschnappten Zappa-Metal von Düreforsög, nur dass зелёный дядя u сёрферы чёрной дыры ganz offensichtlich dem Stoner weit zugeneigter sind als jene beiden Bands. Es brüllt ein Sturm über die Hörenden hinweg!
Dabei war diese Entwicklung gar nicht abzusehen: Das Debüt „Jam Dec ‘18“ war genau das, ein Jam, eingespielt und aufgenommen von Vova Sokolov (Gitarre), Misha Skryabin (Schlagzeug) und Sasha Kostin (Effekte). Die EP war vom Improvisatorischen geprägt, noch nicht so verschachtelt, eher auf der Suche, mit repetetiven Strukturen und mittlerem Tempo. Das Experimentelle drang in die Musik ein, als das Trio sie 2020 im Studio generierte, auf der zweiten EP „Зелёные волны“, „Grüne Wellen“: Psychedelische Rockmusik, die schon das Verspielte in sich trug. Aber dann „В мире животных“, es gibt kein Halten mehr, die volle Power kommt zum Einsatz, es kracht und hetzt und bleibt dabei trotzdem eingängig, eigenartigerweise. „Axaxaxaxaxaxa“ etwa ist ein Turbo-Ohrwurm und „Эхом Сатаны“ beginnt beinahe wie ein tanzbarer Stoner-Techno. Zur heutigen Besetzung gehört neben Vova Sokolov und Misha Skryabin neuerdings Nastya Smorodinova, weitere Hilfe erhielt das Trio von den Gästen Nikita Gorobtsovski und досвидошь (Dosvidosh, ein Postpunk-Duo aus St. Petersburg, von denen eine Hälfte Vanya Past (Ваня Пасть) ist und am Songwriting beteiligt war).