Zillion – Robin Pront – B/NL 2022

Von Matthias Bosenick (13.11.2023)

Die Ausgangslage: Ein gehänseltes Arschloch macht Arschlochsachen mit anderen Arschlöchern, die ihn dafür ebenfalls arschlochmäßig behandeln. Das Ganze spielt in der Großraumclubszene der späten Neunziger in Antwerpen und lehnt sich locker an der realen Geschichte von Frank Verstraeten und seinem titelgebenden Club „Zillion“ an. Inszeniert Robin Pront zunächst ein kunterbuntes, ultraschnelles Clubding, bricht er es im Rest ausgebremst auf Action und Drama herunter – zu einem Zeitpunkt, als einem die Arschlöcher jedoch eh schon egal sind. Der Film ist etwas fürs Auge, aber nicht für die Ewigkeit.

Verstraeten ist zu klein geraten, deshalb respektiert man ihn nicht. Und deshalb will er sich an allen rächen, also wirklich an allen. Mit illegalem Computer- und Bauteilhandel wurde er zum Schwarzgeldmillionär, den ekzemverkrusteten Fiskus immer auf den Fersen, und als er aus Antwerpens Club Carré hinausgeworfen wird, weil er sich einfach scheiße benommen hat, schließt er sich mit dem Pornoproduzenten Dennis Black Magic zusammen und eröffnet mit bürgermeisterlichem Segen südlich der Antwerpener Innenstadt das „Zillion“. Klar: Drogen, albanische Mafia, Gewalt vor der Tür, dazu der brutale Vater von Vanessa, der Miss Belgium 1997, die Verstraeten sich als Freundin kaufte, und seine geldgeile Mutter, die noch durchtriebener ist als er, und der Carré-Chef, der ihn sowieso nicht leiden kann, sowie staatliche Instanzen, die ihm ans Leder flicken wollen. In der Realität geht das Gebräu nicht auf, und im Film bricht alles alsbald auseinander: Vanessa wird drogenabhängig und eigensinnig, die Mutter kann sie nicht leiden und intrigiert gegen sie, die Albaner bedrohen Dennis, der für Verstraeten in den Knast gegangen war und sie dort kennenlernte, und irgendwann bleiben nur noch Gewalt, Verrat, zurückgewiesene Liebe, Eifersucht, Paranoia, Bestechung und wieder Verrat. Am Ende ist der König der Disco wieder ein einsamer kleiner Junge im Brüsseler Vorort Meise.

Wären nicht die eindrucksvollen Bilder aus dem Club und die mit ihnen verbundene – ja – kongeniale Zusammenwirkung von Sound und Kamera, man hätte nur wenig Erinnernswertes an diesem Film. Einige Gags vielleicht, das mit den Carré-Mitgliedskarten, die die Gäste im Zillion neben dem Carré-Chef an der Theke gegen Getränke eintauschen etwa. Oder dass Verstraeten gern zu Hause in einem Aquarium abtaucht. Ansonsten hat der Film zunächst ein zu hohes Tempo, um den verstrahlten Verstraeten als Identifikationsfigur aufbauen zu können, und als es dafür im Schlussteil endlich Anlass gibt – à la „nur Computer sind meine Freunde, die hänseln wenigstens nicht“ –, ist einem der Typ nicht nah genug am Herzen, um diese Tränendrüse zu aktivieren. Jede der Figuren hat so viele unangenehme Eigenschaften, dass das Identifikationspotential viel zu gering ist: Vanessa mit ihren Drogen, der an sich verlässliche, aber leichtsinnige Dennis mit seinem Porno, die krebskranke Mutter mit ihren Vorurteilen, der Steuerfahnder mit seinen unappetitlichen Hautproblemen. Alle egal.

Bleibt also die Geschichte. Die spielt in einem Milieu, in dem billige Technomusik billige Massen mit viel Geld hypnotisiert. Großraumdisco im Gewerbegebiet, das Stardust in Wolfsburg hatte ebenfalls eine Laseranlage und einen schlechten Geschmack. Wer da nicht hinging, wusste, warum, und findet daher auch nur wenige Bezugspunkte zu diesem Film. Weil es klar ist, dass hier Sex, Drugs und Bummbumm zwischen unsympathischen Leuten vorkommen, also irgendwann Gewalt, und weil das außerdem als Basis für einen Film in dieser Mischung kein neues Ding ist. Interessant ist indes, dass Jonas Vermeulen in seiner Rolle als Haupt-Arschloch eigentlich sympathisch und liebenswert aussieht.