Ziguri – Howgh Howgh Howgh – Adansonia/Moloko Plus 2020

Von Matthias Bosenick (26.05.2020)

Als „Trance Rock“ bezeichnen Ziguri ihre Musik selbst, und das trifft es nahezu perfekt, heute jedenfalls besser als die bei der Gründung 1987 gewählte Kategorie „Zen Punk“. Man könnte den Berlinern ohne zu lügen noch eine Nähe zum klassischen Krautrock zuschreiben, die der händisch geloopt eingespielten tanzbaren psychedelischen Mantrarockmusik zugrundeliegt. Überdies ist „Howgh Howgh Howgh“ der Tonträger-Einstand der Band als Quartett, schließlich stieß ein früheres Mitglied kürzlich zurück zum bisherigen Trio. Und: Man muss für die bewusstseinserweiternde Wirkung dieser überlangen Rock‘n‘Roll-Meditationen kein Meskalin nehmen, wie es der Bandname vorschlägt – man verfällt ihnen auch einfach beim Zuhören.

So klingt es, wenn einem Marktmechanismen so egal sind wie Trends: Man hört der Musik von Ziguri an, dass die Band schlichtweg einen Riesenbock hat auf das, was sie da treibt, und das treibt sie auch noch einzigartig. Ihren Krautrockwurzeln verdanken die vier die Leidenschaft für schnörkellose Beats, die typisch stoisch gefühlte Ewigkeiten die gleichen minimalistischen, aber wirkungsvollen und treibenden Figuren vorlegen. Auch mit den Bassläufen verhält es sich so, die Fundamente sind einfach und damit enorm eingängig mit der absoluten Fähigkeit zum Groove.

Fantasievoll und avantgardistisch füllt die Band die Flächen darüber, mit Schmankerln, die sie aus mit Echoeffekten gespielten Bratzgitarren sowie Synthesizern und Sampledatenbanken generieren; da treten wiederum die Jazzwurzeln der Musiker zutage. Dadurch entstehen überraschende Effekte, so erklingen in dem üppig orchestrierten Opener etwa synthetische Sounds, die man den Achtzigern zugeordnet hätte. Die Band verliert sich in Experimenten, sie spielt die Stücke nicht einfach herunter, da passiert unendlich viel, es klimpert, trötet, zirpt, flirrt, keucht, man begibt sich mit Ziguri auf eine Reise, vermutlich gleichzeitig einmal um die Welt, ins Weltall und in das Innerste aller Dinge.

Und wie immer bei Ziguri kann man sich einerseits zur Musik entspannt in Trance chillen und sich dazu andererseits selbstvergessen in wilde Extase tanzen – oder einfach auch ganz gebannt zuhören, was sich die vier Musiker da alles haben einfallen lassen. Für seine Stücke lässt sich das Quartett bisweilen ausufernd lang Zeit: Die beiden Schlangentracks „4 Goa Constrictørs“, das sich einen Track vom Debütalbum bezieht, und „Long Snake“ sind jeweils über zehn Minuten lang und wickeln sich schleichend in die Gehörgänge. Zum Abschluss erlaubt sich die Band noch einen beinahe humorigen Ausflug in den klassischen Krautrock: An La Düsseldorf erinnert ihr „Ki Wi“, in dem sie sprechchorartig von der kalten Wildnis skandieren.

Dieses letzte Stück stammt noch aus der Zeit des Triodaseins, aus dem Jahr 2015; Schlagzeuger sowie Jazz- und Experimentalmusiker (unter anderem bei Stan Red Fox) Zam Johnson, seit den Achtzigern in Berlin lebender Künstler aus Los Angeles, kehrte erst 2017 wieder in den Schoß der Band zurück, der er zwanzig Jahre zuvor bereits kurzzeitig angehört hatte. Damit sind Ziguri nun zu viert, mit Schlagzeuger Dieter Kölsch, Trompeter und Gitarrist Günter Schickert und Bassist Udo Erdenreich. Die Geschichte von Ziguri begann übrigens 1987 noch als Ziguri Ego Zoo, dauerte um die zehn Jahre, erfuhr in der Zeit diverse Gastbesetzungen sowie einen Bruch und führte erst nach der 2011er Reunion im Jahre 2014 zur Veröffentlichung des Debütalbums. Frühere Aufnahmen aus der Zeit der ersten Inkarnation gibt es indes, und einige davon sollen beispielsweise auf der geplanten CD-Version von „Howgh Howgh Howgh“ enthalten sein.

Was die Musiker überdies in der Pause unternahmen, sprengt jeden Rahmen; genannt seien hier Projekte wie das Oberkreuzberger Nasenflötenorchester (Kölsch), Alben mit Jaki Liebezeit oder Klaus Schulze (Schickert), Tura Ya Moya (Erdenreich) sowie Stoppok und Taboo (Johnson). Über ihre Aktivitäten bei den Punkbands Hagel und Ponyhof fanden Erdenreich, Schickert und Kölsch wieder zusammen und nahmen den Zündfunken von Konzerten mit Damo Suzuki für die Wiederbelebung von Ziguri auf. Zum Glück! Und à propos Krautrock-Helden: Eroc masterte „Howgh Howgh Howgh“.