Xchnum Miiimiiikry – Modus Operandi – Jems 2020

Von Matthias Bosenick (14.12.2020)

„Modus Operandi“ dürfte eines der zugänglichsten Werke des an Werken an sich nicht eben armen Jonas Kolb sein, hier tätig unter seinem Alias Xchnum Miiimiiikry. In sechs Stücken schickt er seinen Black Metal bei der Neuen Deutschen Todeskunst in die Lehre, und dabei entsteht Leere: Nihilismus als Kern, musikalisch entsprechend implosiv umgesetzt. Kalte, aber schöne Sounds, minimalistische Melodien, extreme Langsamkeit, temporäre Ausbrüche, die dann ins Nichts vergehen: Gut gelaunt ist Kolb mitnichten, aber selten geht man aus einem seiner Alben so entspannt heraus wie aus diesem.

Wenn Kolb musiziert, ist er eigen, ist er ganz bei sich, dann bedient er sich allerhöchstens dort, wo bereits etwas existiert, das ungefähr ausdrückt, was in ihm vorgeht, und adaptiert es zu etwas, das dann wieder nur von ihm sein kann. Deshalb ist auch „Modus Operandi“ keinem Genre klar zuzuordnen, nicht dem Black Metal, nicht der Neuen Deutschen Todeskunst, nicht der Gruftmucke; Avantgarde fällt Schubladisten allenfalls ein, wenn sie eine Schublade brauchen und Kolb nirgendwo hinzustecken wissen. DIY-Punk steckt dabei ganz eindeutig in seiner Attitüde, aber die drückt sich musikalisch wiederum nicht aus.

Schleppend geht Kolb hier vor, reduziert seine Melodien und Atmosphären auf zwei, drei Töne, schlägt sie unentwegt an, bis sie die Ausmaße stillgelegter Industriehallen annehmen und auch so leer sind. Im Auftakt „Josef, der Schläfer […]“ klingt er dabei noch aufrüttelnd, erschreckt den Hörer mit lauter, aber nicht heavy Gitarre, verfällt inmitten seines klaren rezitativen Vortrags schon mal ins Schreien und lacht abschließend hämisch. Die Aufmerksamkeit des Hörers ist ihm sicher, und wenn er dann inmitten des zweiten Tracks „Ritual & Salbung“ an eine weibliche Lautsprecherdurchsage den postmodernen Black-Metal-Motor anwirft, rotzt er dem Hörer seinen Weltekel auch musikalisch um die Ohren.

Dabei belässt Kolb es für den Rest des Albums auch mit Blastbeats und kehrt zur atmosphärischen Leere zurück. „Der Bettler“ könnte ein Minimal-Electro-Track von Ende der Siebziger sein, als die Mutigen sich das teure Equipment von ihrer Bank ausborgten und die gewohnten Songstrukturen aus den Angeln hoben, nur dass Kolb sich nicht auf die damals üblichen zwei Minuten beschränkt, sondern seinen Track auf elf Minuten dehnt und mit einer melodielos greinenden Gitarre sowie seinem schreienden Vortrag unterfüttert.

Die Hälfte des Albums ist um – und fortan versinkt Xchnum Miiimiiikry in Verzweiflung. Die Sounds werden klarer, die Stimmung schluckt jedes verbliebene Licht, man fühlt sich, als kauerte man in einem feuchten Keller, und zwar in einem, in den man sich vorsichtshalber selbst setzte, um das Draußen nicht ertragen zu müssen. Doch schon bald beginnt man, in diesem Keller herumzutigern und seine Kräfte zu sammeln, nicht etwa, um das Unduldbare zu besiegen, sondern allenfalls, um es überhaupt ertragen zu können. Dieser Vorgang ist derart kräftezehrend, dass man für die letzten bald 13 Minuten darniedersinkt und sich in sich selbst verliert.

Mit „Im Turm der Leere“ wirft Kolb den Hörer mit nur drei Tönen beinahe versöhnlich ins Hier und jetzt zurück. Das Stück unterstreicht, dass Kolbs Sounds nie plakativ sind, weder die schönen noch die harschen, und auch nie kitschig, cheesy, klischeehaft; sein akustischer Weg ist eben ein eigener, ein bewusster, ein reflektierter, ein durchdachter. Es überrascht den Hörer selbst, wie wohlig es sich wohnen lässt „Im Turm der Leere“, den mag man gar nicht mehr verlassen.

Das Album bietet Kolb als CDr, als Tape und als Download an. Weil man nun mit dem Hören seines Outputs nicht hinterherkommt, ist „Modus Operandi“ nunmehr auch schon wieder acht Monate alt, Kolb seitdem aber nicht untätig gewesen: Mittlerweile gibt es diverse neue Alben sowohl von Xchnum Miiimiiikry als auch von seinem früheren Alias Machyyre.