Therapy? – Communion: Live At The Union Chapel – Therapy? 2017

Von Matthias Bosenick (13.09.2017)

Ein zweigleisiges Schwert, das Therapy? hier zücken: Sie feiern ihre eigene Jugend, indem sie alte Songs zelebrieren, und tun dies in neuen Versionen, akustischen nämlich. Da kommen beide Gefühle auf: Nostalgie und Ausverkauf. Die Songs sind gut, die Darreichungsform indes ist nicht immer angemessen. Das Geheminsvoll-Düstere der frühen Songs geht verloren, das Singalong hat einen faden Beigeschmack, und doch strahlen die Stücke eine vertraute Kraft aus, für die man die Nordiren seinerzeit zu lieben lernte. Sie werden alt? Oder man selbst?

Die akustische Welt von Therapy? endet in den mittleren Neunzigern. Nur auffallend wenige der 24 Lieder aus diesem Set stammt aus der Zeit danach, also als es mit dem Erfolg bergab und danach mit der Kreativität gottlob wieder bergauf ging. Tauchen wir also mit der Band, die in dieser Besetzung als Trio auftritt, in eine Vergangenheit ab, an der von diesen dreien nur Sänger Andy McCairns und Bassist Michael McKeegan Teil hatten. Schlagzeuger Neil Cooper stieß erst 2002 dazu, aber er kennt seinen Katechismus gut.

Man erlebt ein Wiederhören mit „Accelerator“, das hier zum Jazz wird, mit „Knives“, das zu Beginn swingt, und mit den anderen Hits „Opal Mantra“, „Stories“, „Potato Junkie“, „Screamager“, „Nowhere“, „Die Laughing“, dem Hüsker-Dü-Cover „Diane“ (auf dessen Doppel-Maxi-CD Therapy? seinerzeit bereits den eigenen Backcatalogue in Akustikversionen ausprobierte) sowie einem bunten Reigen Albumtracks und Single-B-Seiten aus der guten, alten Zeit. Es fällt auf, wie gut diese Songs sind, auch in der abgespeckten Variante, und gleichzeitig lässt diese teilweise die Seele vermissen, die die Lieder einst hatten, die dunkle, verletzte, aggressive nämlich. Bisweilen kippt die Stimmung ins Schunkelige, wofür die Band eigentlich nie stand, trotz zeitweiliger MTV-Rotation und dann doch nicht erfüllter Chartstauglichkeit. Und manchmal passt das Arrangement einfach nicht zu den Liedern, sie wirken dann etwa dünn und substanzlos, was sie eigentlich nicht sind.

Was an diesem Livedokument reichlich nervt, sind die Bashings zwischendurch. Immer wieder hat das Publikum bei Nennung des Namens Donald Trump „booh“ zu rufen, was man ja noch halbwegs nachvollziehen kann, was aber den Hörgenuss unterbricht. Ebenso soll die Masse bei Aufzählung der U2-Musiker buhrufen. Nur keinen Neid. Letztlich ist diese Doppel-CD, die die Band im Zuge der „Wood & Wire“-Akustiktour veröffentlichte, weil das gleichnamige Akustikalbum längst rettungslos vergriffen ist, ein schönes Erinnerungsstück für den altgewordenen Indiehörer, der daraufhin doch lieber die alten Alben und EPs einlegt. Übrigens gibt‘s die CD als limitierte Version mit einer Bonus-EP mit vier weiteren Songs (und einem Hiddentrack), die andernorts auf der Tour mitgeschnitten wurden. Immerhin: Es handelt sich nicht um das Dokument einer Reunion, sondern um ein Produkt im laufenden Prozess. Für die Fans, die immer treu sind.

Die Tracks:

CD1:
01 Trigger Inside (von „Troublegum“, 1994)
02 Our Love Must Die (von „Loose“-Single, 1995)
03 Disgracelands (von „Nurse“, 1992)
04 Tides (von „Disquiet“, 2015)
05 Living In The Shadow Of The Terrible Thing (von „A Brief Crack Of Light“, 2012)
06 Evil Elvis (von „Die Laughing“-Single, 1994)
07 Accelerator (von „Nurse“, 1992)
08 If It Kills Me (von „High Anxiety“, 2003)
09 Opal Mantra (Single, 1993)
10 Idiot Cousin (von „Disquiet“, 2015)
11 Gone (von „Nurse“, 1992)
12 Stories (von „Infernal Love“, 1995)

CD2:
01 Turn (von „Shortsharpshock EP“, 1993, „Face The Strange EP“, 1993, und „Troublegum“, 1994)
02 Still Hurts (von „Disquiet“, 2015)
03 Lonely Cryin’ Only (von „Semi-Detached“, 1998)
04 Stop It You’re Killing Me (von „Troublegum“, 1994)
05 Knives (von „Troublegum“, 1994)
06 Potato Junkie (von „Pleasure Death“, 1992)
07 A Moment Of Clarity (von „Infernal Love“, 1995)
08 Loose (von „Infernal Love“, 1995)
09 Diane (von „Infernal Love“, 1995)
10 Screamager (von „Troublegum“, 1994)
11 Nowhere (von „Troublegum“, 1994)
12 Die Laughing (von „Troublegum“, 1994)

CD3:
01 Meat Abstract (Live In Belfast) (von „Babyteeth“, 1990)
02 Unbeliever (Live In Belfast) (von „Troublegum“, 1994)
03 Nobody Here But Us (Live In Rotterdam) (von „High Anxiety“, 2003)
04 Skyward (Live In Rotterdam) (von „Babyteeth“, 1990)
05 Jazz Skit (Live In Roeselare) (Hidden Track)