The Tubes – The Musikladen Concert 1981 – Sireena 2016

Von Matthias Bosenick (21.08.2016)

Niemand kennt The Tubes, außer Nina Hagen, und die will wiederum niemand kennen. Sie coverte den Tubes-Song „White Punks On Dope“ nur drei Jahre später, also 1978, als „TV-Glotzer“; das dürfte zumindest für einen Aha-Effekt reichen. Davon jedoch sollte man nicht auf das vorliegende Konzert schließen: Nicht nur fehlt „White Punks On Dope“ offiziell in der Setlist, die Band gebar sich zudem 1981 vorrangig als Show- und Theatertruppe mit Musikuntermalung, die mit Punk möglicherweise die Haltung, weniger jedoch die Musik gemein hatte. Am ehesten ist der Sound vergleichbar mit dem der Talking Heads aus der Zeit, und als Vertreter der CBGB-Szene gehörten die ja irgendwie doch noch zum Punk. Inspiriert haben dürfte die Show Musiker wie Deichkind oder Wayne Coyne, der vieles davon mit seinen Flaming Lips exponenzierte.

Musikalisch einzusortieren waren (und sind, die gibt’s noch) The Tubes nicht so leicht: Art Rock, Prog Rock, Pop, Hard Rock, Punk, Disco, Funk – nichts davon reinrassig, alles zu einer energetischen Melange vermengt. Für den reinen Pop waren es zu viele Gitarristen, für den harten Rock zu viele Keyboarder, für den revolutionären Punk zu viele falsettige Backgroundsänger. Die Songs sind dominiert von Tempo und Sounddichte, für Atmosphären bleibt kaum Raum, trotz einiger Powerballaden. Stattdessen konzentriert sich das Septett auf kunstvolle Intermezzi, die das genaue Hinhören einfordern. Gegniedel and the damage done.

Aber es geht ja nun mal bei den Tubes nicht allein um die Musik, und das schlägt sich auch in den Verkaufszahlen und im Bekanntheitsgrad nieder. Wichtiger waren schon immer die Liveinszenierungen. Dazu gehören in erster Linie Kostümwechsel und als zweites Tanzeinlagen und Theaterpassagen. Meistens sieht das schlichtweg gut oder beeindruckend aus – doch an manchen Stellen bricht sich glatt der Hang zur Provokation Bahn. Kann man die sexuell aufgeladene und aus heutiger Sicht sexistische Sportsequenz noch als harmlos abtun, insbesondere mit Blick auf gegenwärtige Beach-Volleyball-Sportdresses, ist die Passage mit dem messerbewaffneten maskierten Attentäter schon schockierender. Bei der „Attack Of The Fifty Foot Woman“ erhält des Sängers schnieker Anzug zunächst von ebenjener einige Blessuren und der Sänger selbst alsbald eindeutige Avancen. Nun, auch er scheut sich nicht davor, seinen gestählten Body zu zeigen, Punkt für den Ausgleich – bis ihn Unterwäschevampirinnen zu BDSM-Spielen heimsuchen. Optisch beeindruckendster Moment ist der „Business Dance“, bei dem die Band zum Playback in Anzügen und mit Aktenkoffern choreographiert Managerstereotypen aufs Korn nimmt; der Song hätte auch den Talking Heads gut zu Gesicht gestanden. In der Folge lassen sie ihr „White Punks On Dope“ dann zumindest als Zitat in „Don’t Slow Down“ einfließen. Zum Schluss geht’s zu ein paar Japanklischees und mit zwei Badenixen in ein Plantschbecken und gibt es eine leichtbekleidete Opfergabe an Maskengötter sowie einen Sänger, der sich in Jesuspose fastnackt mit Farbe bemalen lässt. Ein buntes Spektakel also, das auch die Flaming Lips und Deichkind nicht unbeeindruckt gelassen haben dürfte.

Anlass für diesen exklusiven deutschen TV-Auftritt bei Radio Bremen war die Veröffentlichung des fünften The-Tubes-Albums „The Completition Backward Principle“. Es gibt Leute, die diese Show live im Fernsehen sahen und dieser DVD-Veröffentlichung nun lechzend entgegensehen. Gleichzeitig veröffentlicht Sireena die Songs dieses Gigs auch auf CD, was etwas redundant erscheint, liegt doch der Schwerpunkt auf der Show, nicht auf der Musik, wie auch die TV-Ansagerin zu Beginn der DVD sagen darf. Tatsächlich ist die Musik ohne die Bilder nicht so einfach zu goutieren, besonders für Leute, die sie noch gar nicht kennen; damit ist das Konzert eher etwas für die Älteren zum Konservieren als für die Jüngeren zum Entdecken. Man muss sich auf die etwas cheesige musikalische Darbietung einlassen und zu den handwerklich beeindruckenden Elementen durchdringen wollen. Das gelingt tatsächlich mit den Bildern besser. Bonüsse birgt die DVD keine, muss sie aber auch nicht.