The Perc – The Best Of Carola (Electric Kindergarten Vol. 7) – Tribal Stomp 2019

Von Matthias Bosenick (08.05.2019)

Diese Compilation klingt nicht wie eine, sondern wie ein Konzeptalbum: Der Sound seiner „Carola“, wie er seine Casiotone MT 400V nennt, steht im Mittelpunkt der Zusammenstellung von Tom „The Perc“ Redecker. Der einheitliche Sound kann indes auch zum Nachteil werden, wenn er die Nerven strapaziert: Es klingt halt doch alles sehr ähnlich und der Dudelfaktor ist hoch. Gottlob hatte Redecker schon auf diesen Aufnahmen aus Ende der Achtziger bis Anfang der Neunziger eher dunkle Wolken über dem Kopf, was die Songs wie einen psychedelischen Mix aus Alleinunterhalter und The Sisters Of Mercy wirken lässt. Auch drauf, zweimal sogar: der kleine Radiohit „Rock The Widow“.

Der warme Sound seiner Carola ist es, der Redecker so begeistert, so nachhaltig sogar, dass er sich vorbehält, ihn auch heute noch sporadisch in seinen Bandprojekten zum Einsatz zu bringen. Man kann seine Leidenschaft nachvollziehen, basiert doch der Sound dieser Casioorgel nicht auf digital erzeugten Klängen, sondern klingt analog, zumindest, was die Orgeltöne betrifft. Anders die Drumsounds, die derbstens den billigen Achtziger-Trash in sich tragen und damit einen historischen, nostalgischen und sogar romantisch behafteten Sound mitbringen. In direkter Nachbarschaft dazu hat man die Bontempi-Drums in Erinnerung.

Doch vertraut Redecker nicht dem Sound seiner Carola allein, er bettet ihn in seine wahnwitzigen Kompositionen ein. Seine dunkle Stimme trägt die meisten Stücke, wechselseitiger Gesang mit The Hidden Gentleman Emilio Winschetti überflügelt Carola an mancher Stelle. Wimmernde, dröhnende, gniedelnde, psychedelische E-Gitarren lenken ebenfalls bisweilen vom dominanten Caroladudeln ab. Und deshalb klingen die zusammengesuchten Stücke nicht zusammengesucht, sondern wie eigens für dieses Album erstellt. Sogar die Dopplung von „Rock The Widow“ ist schlüssig, da dem eher dunklen Single-Edit aus dem Studio eine munter improvisierte ausufernde Liveversion gegenübersteht. Auch enthalten sind das Stück, das Redeckers Label Sireena den Namen gab, sowie eine vierzigsekündige Coverversion von „In-A-Gadda-Da-Vida“.

Und doch, wer den Sound der Casioorgel nicht erträgt, hat an der siebten Ausgabe der Raritätensammlung „Electric Kindergarten“ arg zu knabbern. Auch mit Wohlwollen muss man das durchgehende Dudeln mögen können. Ebenfalls zu ertragen hat man Essenkaugeräusche und ein Englisch, das in Grammatik und Aussprache nach einem Votum schreit („I miss you bad“). In Dosen jedoch genießt man die Preziosen, und vielleicht finden sich ja Tagesformen, zu denen genau dieses Album den passenden Soundtrack liefert.

Sämtliche Stücke sind übrigens bereits veröffentlicht, teilweise sogar auf früheren Ausgaben der „Electric Kindergarten“-Reihe. Freundlicherweise vermerkt Redecker sämtliche Quellen im Booklet. Das Nichtvorhandensein von Exklusivitäten schmälert die Relevanz dieser Sammlung aber nicht, schließlich ist sie kohärent.