The Fall – Tod in Belfast (The Fall) – Jakob Verbruggen – UK/BBC Northern Ireland 2013/ZDF 2015

Von Matthias Bosenick (25.11.2015)

Hast noch’n Rätselheft für Omma? Wer sich die BBC-Serie „The Fall“ angucken will, sollte sich auf jeden Fall eine Nebenbeschäftigung suchen. Der Versuch der BBC, einen skandinavischen Thriller in Serienform zu drehen, gelingt in sofern, als dass man sich an die schlechtesten Vertreter dieses Genres erinnert fühlt. Da helfen auch Superstars wie Gillian Anderson aus „Akte X“ und Jamie Dornan aus „50 Shades Of Grey“ nichts. Man kann ja froh sein, dass das ZDF die Serie auf neun Stunden gekürzt hat, und wundert sich trotzdem, dass sie überhaupt länger dauert als eine Dreiviertelstunde. Es reicht eben nicht, einige typisch skandinavische Elemente zu übernehmen: Eine weinerliche und sediert wirkende, aber notgeile Ermittlerin jagt einen vermutlich sexuell motivierten serienmordenden Familienvater. Toll. Das Ergebnis ist Zeit- und Ressourcenverschwendung.

Das ZDF stellt die komplette erste und zweite Staffel zum Streamen ins Netz, aber erst ab 22 Uhr, wegen des Jugendschutzes, der nicht wirklich nötig ist, weil jeder Jugendliche heute Härteres auf dem Handy hat. „The Fall“ taugt maximal als Einschlafhilfe, sicherlich auch bei Teenagern. Und zieht sich elendiglich. Dabei ist die Handlung doch so schnell erzählt, mit Spoilern: Paul Spector ist Serienmörder, verheiratet, zweifacher Familienvater, Mitarbeiter der Trauerbetreuung in Belfast. Stella Gibson ist eine aus London abkommandierte Ermittlerin, die einen Mordfall an einer jungen Frau aufklären soll, mit einem ihrer nun neuen Kollegen mal was hatte und auch sonst dem Gelegenheitsfick (das Vokabular ist ihr eigenes) mit Vertretern jedweden Geschlechtes initiativ zugetan ist. Der Killer versteckt eine frühere Geliebte, die ihn an die Polizei verriet, und irgendwann ist nicht mehr die Jagd nach ihm das Ziel, sondern die Unversehrtheit der Entführten, was man aber nicht so recht begreift. Dabei stellen sich alle dumm genug an, um ausreichend Handlungszeit zu erzeugen. Abgesehen von den unendlich langen doofen Dialogen und wehleidigen Jammersequenzen, die das Einschlafen beschleunigen.

Wer bei Andersen Scully vor Augen hat, wird enttäuscht, nicht zuletzt deshalb, weil nicht mehr Franziska Pigulla sie in der Synchronversion spricht. Stella Gibson darf schleppend vor sich hin analysieren und Rückschlüsse ziehen, während der als Grey ach so dominante Dornan seinen Paul Spector seine Morde zwar akribisch planen lässt, sich ansonsten aber ständig am Rande der vertrottelten Selbstdenunziation bewegt. Aber gut, dass auch die Polizei zu blöd ist, die klobigen Spuren überhaupt zu erkennen und dann auch noch in die richtige Reihenfolge zu legen. Ansonsten wäre die Serie auch um einiges schneller vorbei.

Als Randhandlungen fügte man eine zunächst viel spannendere, aber später völlig unbedeutende Drogengeschichte in den Reihen der Polizei ein, die auffliegt, als ein One-Night-Stand von Gibson vor seinem Haus abgeknallt wird. Auch verstrickt sich Spector vor seiner Frau zur Ablenkung von seiner Killeridentität in der Lügengeschichte, ausgerechnet mit der minderjährigen Babysitterin eine Affäre gehabt zu haben. Ein gewaltbereiter Exknacki und dessen Frau stellen als seine Klienten eine weitere Seitenhandlung dar.

Ja, und? Soll man sich in einen bescheuerten unrasierten Killer hineinfühlen, oder warum ist man Spector so nahe? Klappt nicht, schließlich ist er ein unsympathischer Killer, da kann er noch so oft als netter Familienvater gezeigt werden. Und Gibson? Ihre unbeteiligte Ermittlungsarbeit mit dem Blick eines Kleinkindes, dem unverständlicherweise die Schaufel geklaut wurde, lädt die Serie nicht eben mit Spannung auf. Der Umstand, dass man sie, also Anderson, also irgendwie auch Scully, anfangs oft im BH bei offener Seidenbluse (der Fakt ist zumindest Spector wichtig, dass sie immer Seidenblusen trägt – und dem Drehbuchautor damit offenbar auch) zu sehen bekommt, reicht nicht aus, um sich den Quatsch anzugucken. Und Dornan darf wieder gefesselte Frauen quälen, ja. Dabei stellt er sich aber so blöd an wie der „Scream“-Killer. Einige Fast-Enttarnungen hält die Serie bereit: Spannend macht es die Sache jedoch nicht, dass die Minderjährige in der Hälfte der Spielzeit die richtigen Rückschlüsse zieht und sich auf ein potentielles Sexabenteuer mit dem Quälgeist freut, weshalb die Verdachte bald wieder versacken. Bei „The Fall“ kann sich zudem keine Frau gegen Brutalos zur Wehr setzen, die weibliche Hilflosigkeit nervt ungemein und ist auch nur ein verschleppendes Element. Und mit beiden Figuren ist noch eine dritte Staffel geplant?

Dumm ist das neue Kriminell. Und das neue Kriminologisch. Gleichzeitig. Damit kann man auch eine Handlung in die Länge dehnen. Soll das wirklich an skandinavische Thrillerserien erinnern, dann höchstens an die erste Staffel von „Kommissarin Lund“, die schwedische „Millennium“-Trilogie und „Nordlicht – Mörder ohne Reue“, die alle hanebüchen und unendlich öde sind bei einiger Dichte an bestialischen Taten. In Belgien hätte „The Fall“-Regisseur Jakob Verbruggen die Story in 45 Minuten als eine Episode seiner Serie „Code 37“ abgehandelt und dabei auf griffige Charaktere zurückgreifen können. So kommt es außerdem, dass die Polizei nicht aufgrund ihrer Ermittlungsarbeit erfolgreich ist, sondern weil der Täter Fehler macht. Super. Das kennen Zuschauer unter 16 Jahren schon, von TKKG. Da dauert eine Folge wenigstens nicht neun Stunden. Und immer hat man „The Fall“ von Ministry im Ohr, anders erträgt man die Langeweile auch nicht, besonders mit dem tatsächlichen Soundtrack, der die gefilmte Ödnis gekonnt in dumpfe Musik brummt. Reinecke Fuchs heißt der. Nee, Adolar!