Project Pitchfork – Akkretion – Trisol 2018

Von Matthias Bosenick (27.02.2018)

Album Nummer… so ca. 18, oder? Ohne Livealben, Minialben und Compilations. Und dann auch noch als Auftakt einer Trilogie. Da hat sich der Peter Spilles aber ordentlich etwas vorgenommen! So richtig Vorfreude auf die nächsten beiden Teile macht „Akkretion“ indes nicht, setzt aber die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre fort: Bestandsschutz mit der Tendenz zum Schlager. Und das war mal eine Electro-Gothic-Band, die sich von Helden wie Skinny Puppy beeinflussen ließ (damals hießen sie noch recht eindeutig Demoniac Puppets) und mit ihrem spröden Sound und einer immanenten Dunkelheit Energien zwischen Beklemmung und Aggression transportierte, bei dezidiert mitgelieferten schönen Melodien. Diese Kunst lässt Spilles leider fahren und konzentriert sich auf die Leute, die von Graf Unheilig sitzen gelassen werden und neues Futter suchen.

Spilles hat in den vergangenen fast 30 Jahren eine Menge Musik auf die Welt losgelassen, nicht nur mit Project Pitchfork. Man kann ihm eine hohe Wiedererkennbarkeit attestieren, einen stringenten Stil also, oder aber Einfallslosigkeit: Denn so richtig unterscheiden kann man die beinahe im Jahrestakt ausgestoßenen Alben nicht mehr. Zwar gelingt es Spilles, auf jedem Album Songs unterzubringen, die allein gehört Spaß machen, zum Mitwippen anregen oder auch mal elektronisch auf die Fresse geben, aber im Albumkontext gehen sie unter, in der Discographie verschwimmen sie gar zu einem einzigen Stück.

Auf der musikalischen Ebene schwingt Spilles von Album zu Album mit den Strömungen: Mal reaktiviert er die alten Sounds, derentwegen man Anfang der Neunziger auf die Band aufmerksam wurde und die er in schweren, herausfordernden Brocken wie „IO“ gipfeln ließ, dann nimmt er wieder sämtliche Störgeräusche und Samples aus den Liedern heraus und lässt das Gefällige dominieren, charakterloser sogar noch, als es die Chartsalben waren, die Project Pitchfork tatsächlich einmal hatten, zum Jahrtausendwechsel und mit gar nicht mal so poppiger Musik, mit Gitarreneinsatz sogar.

Auf „Akkretion“ hingegen erklingen neben einigen (atmo-)sphärischen Stücken mit latenter „K.N.K.A.“-Reminiszenz Songs, die komplett in Schlagerharmonien komponiert und mit Vier-Viertel-Stampfrhythmen unterlegt sind; diese Richtung ist in Gruftikreisen seit viel zu langer Zeit populär, sogar viel zu populär, sonst müsste ein versierter Krachmacher wie Spilles sie ja nicht bedienen wollen, um bei der Szene im Gespräch zu bleiben. Den Vorwurf muss man eigentlich jedem erfolgreichen Gruftmusiker machen: Dass er die Szene überhaupt als Zielgruppe hat, sich also an schwarzkommerzielle Vorlieben anpasst, anstatt einfach gute, eigenständige Musik zu machen. Dafür gibt es doch und gottlob genügend Gegenbeispiele, die dunkel sind, aber nicht angepasst. Eher angepisst. Das könnte sich auch ein Herr Spilles zu Herzen nehmen.

Auch auf „Akkretion“ gibt es natürlich einzelne Songs, die man sich zum Beispiel im Auto oder vom Smartphone als Teil einer größeren Menge Musik auf Random dann gern anhört. Aber nicht das ganze Album am Stück, auch nicht mit der obligatorischen limitierten Bonus-CD, die das Werk nicht erweitert, sondern nur fortsetzt, und die den Fan dazu herausfordert, einmal mehr über 50 Euro in Project Pitchfork zu investieren. Immerhin gibt’s dafür ein ansehnliches Buch im 10“-Format als Transporteur der Tonträger.

Ach ja, Spilles hat etwas zu sagen, denn diesem Trilogieauftakt liegt ein Konzept zugrunde, was bei Spilles dankenswerterweise üblich und in Gruftikreisen eher egal ist: Es geht um irgendetwas Sozialkritisches, Evolution und die Entwicklung der Gesellschaft oder so. Geschenkt. Natürlich gut, dass sich einer Gedanken macht, klar, passiert ja nicht so häufig, aber zum Zuhören fehlt die attraktive musikalische Grundlage. Es rauscht am Ohr vorbei. Und es bleibt die Hoffnung, dass sich Spilles doch einmal wieder mehr auf seine schlummernden Tugenden besinnt und die nächsten Teile rauher, brutaler, herausfordernder werden. An Schönheit in Melodie und Arrangement muss er es ja nicht fehlen lassen, hat er ja auch schon alles mal geschmackvoll kombiniert. Mehr Mut, weniger Schlager! Mit Unheilig hat Spilles nämlich tatsächlich schon zusammengearbeitet, 2006 – also noch vor „Geboren um zu leben“ – kam die gemeinsame Single „Ich will leben“ heraus. Das reicht hin!