Point Whitmark – (42) Der Ruf des Wellengängers – Decision/Sony 2019

Von Matthias Bosenick (05.08.2019)

Plötzlich und unerwartet landet nun auch die zweite bereits seit Jahren fertig produzierte Episode von Point Whitmark im Handel. In „Der Ruf des Wellengängers“ behandelt Serienchef Volker Sassenberg sein eigenes Schicksal als mimosischer Hörspielproduzent, der von allen Beteiligten ausgebootet wird und deshalb zu drastischen, aber für die Hauptfiguren Jay, Tom und Derek nachvollziehbaren Maßnahmen ergreift. Wischt man diese kindhaften Selbstgerechtigkeiten beiseite, bekommt man einen angenehm entdrehten Fall mit Mystik, Action und Humor – aber leider nicht die Aussicht darauf, dass es mit der Serie danach auch weitergeht.

Diesen Fall hat Sassenberg endlich einmal nicht so sehr verquirlt, dass man ihn mehrmals hören muss, um überhaupt zu verstehen, was da vor sich geht. Jay, Tom und Derek lassen ein fremdproduziertes Hörspiel über den Wellengänger über ihren Radiosender laufen, das jedoch von einer unbestimmten Störung unterbrochen wird. Bei diesem Wellengänger handelt es sich um eine lokale Legende aus Point Whitmark, einen mystischen Seefahrer, dessen Überlieferungen sich wie eine Drohung um das Küstennest spannen. Denn es sind nicht nur die Leuchtturminhaber Leidtragende, auch Nachbarn, Hörspielproduzenten und Seeleute.

Die Auflösung ist zwar weder spektakulär noch aufregend, aber das schmälert den Genuss dieser Episode nicht: Sie ist flüssig und stringent erzählt und birgt Absurditäten und jede Menge Humor. Zudem gelingt Sassenberg, was bei den Drei Fragezeichen versäumt wurde: Er kreiert eine Dorfgemeinschaft, auf die er immer wieder zurückgreift, anstatt für jede Episode neue Charaktere zu erfinden. Dabei ist eine inhaltliche Verbindung zu früheren Fällen nicht zwingend notwendig, es reicht die Funktion der Figuren aus. So fühlt man sich als Hörer dem Örtchen näher, wenn man mit den Hauptfiguren regelmäßig dieselben Begegnungen hat, dieses Mal etwa mit Doc Weatherby, Selma Metheny, Billy Boy Barks, der Kröte, Basil Cricket, Blind Drunk, Mrs. Miller und Belly Sue Walker. Wer die nicht kennt, sollte sich unbedingt mal die vorherigen 41 Folgen zu Gemüte führen; für das Verständnis dieser Geschichte ist dies aber keine Voraussetzung.

Unangenehm an der ganzen Handlung sind jedoch die Parallelen zu Sassenbergs Realität und seine Abrechnung mit denen, die er in echt für böse hält. Das manifestiert sich darin, dass er frühere Wegbegleiter hier mit identischen Initialen auftreten lässt; Volker Sassenberg selbst macht sich hier zu Valentin Sweetwater, aus Erik Anker wird Elmo Anquinn, aus Sebastian Breidbach wird Sammy Bowbang, aus Doerte Poschau wird Dotty Porenza und aus Andreas Maass wird Antony Marson – alles Leute rund um das alte Studio und das frühere Label. Aus dem, Universal Music, wird hier übrigens Galactic Sound, was wiederum „Die Drei Fragezeichen und die Musikpiraten“ zitiert. Auch finden reale Anschuldigungen ihren Weg in das Hörspiel: Sassenberg wirft seinem alten Tontechniker vor, sein Soundarchiv kopiert zu haben. Diese ganzen Vorfälle liegen nun schon diverse Jahre zurück und man fragt sich berechtigt, wann ein gestandener Mann wie Sassenberg es wohl vollbringt, damit zurechtzukommen; die Zeit, die dieses Hörspiel nun bereits auf Halde lag, wiegt dabei trotz ihrer Länge vergleichsweise gering und fällt nicht ins Gewicht, schon bei dessen Produktion waren die Geschehnisse schließlich veraltet. „Der Ruf des Wellengängers“ birgt somit nicht nur ein unterhaltsames Hörspielscript, sondern auch ein Armutszeugnis.

Krone der Selbstherrlichkeit ist, dass Sassenbergs Alias hier anbietet, aus den Abenteuern von Jay, Tom und Derek eine Hörspielserie zu machen. Daran würde nun quasi Folge 1 anschließen und die Frage offen bleiben, ob es eine Folge 43 überhaupt jemals geben wird. Bei aller Qualität, die die Serie hat: Damit bliebe einem wenigstens das Gejammer Sassenbergs erspart. Es mag paradox klingen angesichts von Kinderhörspielen, aber hier ist ein Reifeprozess definitiv angebracht.