Paul Weller – Other Aspects (Live At The Royal Festival Hall) – Parlophone 2019

Von Matthias Bosenick (04.06.2019)

Paul Weller rockt nicht. Zumindest nicht auf diesem, seinem 1312420. Live-Album: Da stellt er seine wilde hinter seine milde Seite, begleitet von Streich- und Bläserensemble sowie indischem Instrumentarium. Seine Begleiter wissen sich aber dem perfekten Sound des Wellerwerkes unterzuordnen, Paule steht definitiv im Mittelpunkt, zu keiner Zeit herrscht der Kleister; in dieser Fassung hört man diese Stücke sehr gern. Auf zwei CDs und einer DVD im Pappklappcover sind zwei Konzertabende in der Royal Albert Festival Hall zusammengefügt; keine Greatest-Hits-Ansammlung, übrigens.

Das macht Weller besser als andere Rocker, die sich ein Orchester auf die Bühne zerren: Die Streicher fiedeln nicht, sie begleiten, und das auch nur an solchen Stellen, an denen es songdienlich ist. Sie bleiben dezent im Hintergrund und lassen Raum für die Songs selbst und für die anderen Musiker, die diese Songs brauchen, um ihren wohligen Äther zu entfalten. Und obwohl die Songs weitestgehend milde gespielt sind, transportieren sie eine Klarheit, eine Nachdrücklichkeit, und verweigern das beliebige Gedudel. Zudem ist der Sound großartig.

Hier passt Weller sowohl die Auswahl seiner Songs als auch seine Art zu singen an den von ihm gewünschten Sound an. Ernsthaft ist die Vokabel, die seit jeher auf das Schaffen des Modfathers zutrifft, und die gilt auch hier. Er mag den Rock’n’Roll umgekrempelt haben, von The Jam über The Style Council bis zuletzt auf den experimentellen und kantigen Solo-Alben nach der Jahrtausendwende, aber diesen Anteil seines Schaffens lässt er bei diesen Konzerten unberücksichtigt. Vielmehr macht er sein Gefallen am Northern Soul deutlich und lässt zu diesem Behufe auch kraftvolle Bläser zum Einsatz kommen, ansonsten mag er leicht melancholischen, trippigen Rockpop. Indische Instrumente wie die Sitar in „Books“ sind noch das Exotischste, das er dem Hörer hier zumutet, und auch das passt. Ist wunderschön geworden!

Einzig bedauerlich ist die Auswahl der Songs: Das jüngste Album „True Meanings“ erfährt mit elf Liedern hauptsächliche Berücksichtigung, was für einen Künstler, der seit über 40 Jahren aktiv ist und mehr als einmal Musikgeschichte schrieb, etwas enttäuschend ausfällt. Von seiner ersten Band The Jam gibt es zwei Songs, darunter eine Single-B-Seite aus dem Jahr 1981, von seinem zweiten Projekt The Style Council ebenfalls nur zwei Stücke, darunter ein exklusives für den Soundtrack mit demselben Titel wie dem der Single von The Jam, von der die B-Seite stammt: „Absolute Beginners“; der Rest bedient sich bei ausgewählten Solo-Alben. Keine Greatest-Hits-Sammlung also, sondern eine Auswahl an Stücken, die mit der Orchesterbegleitung am besten funktionieren. Als hätte Weller „True Meanings“ bereits darauf ausgelegt, als er es komponierte. Und Vorsicht beim Transport: Die DVD neigt dazu, aus der Papphülle zu rutschen.

Die Songs:
01 One Bright Star (von „22 Dreams”, 2008)
02 Glide (von „True Meanings“, 2018)
03 The Soul Searchers (von „True Meanings“)
04 Boy About Town (von „Sound Affects“, The Jam 1980)
05 Have You Ever Had It Blue (von „Absolute Beginners“-Soundtrack, The Style Council 1986)
06 What Would He Say? (von „True Meanings“)
07 Wild Wood (von „Wild Wood“, 1993)
08 Country (von „Wild Wood“)
09 Aspects (von „True Meanings“)
10 Strange Museum (von „Paul Weller“, 1992)
11 Amongst Butterflies (von „Paul Weller“)
12 Old Castles (von „True Meanings“)
13 Gravity (von „True Meanings“)
14 Where’er Ye Go (von „22 Dreams“)
15 A Man Of Great Promise („Our Favourite Shop“, The Style Council 1985)
16 Mayfly (von „True Meanings“)
17 Private Hell (von „Setting Sons“, The Jam 1979)
18 Tales From The Riverbank (von „Absolue Beginners“-7“, The Jam 1981)
19 Movin On (von „True Meanings“)
20 Long Long Road (von „A Kind Revolution“, 2017)
21 Hopper (von „A Kind Revolution“)
22 White Horses (von „True Meanings“)
23 Books (von „True Meanings“)
24 You Do Something To Me (von „Stanley Road“, 1995)
25 May Love Travel With You (von „True Meanings“)