New Model Army – From Here – Attack Attack/Ear Music 2019

Von Matthias Bosenick (12.09.2019)

Wie immer bei New Model Army erkennt man erst bei zunehmender Hördurchlaufzahl, dass das Album sehr wohl voller Ohrwürmer ist, von denen man zunächst glaubt, sie blieben einfach nicht im Bewusstsein haften. „From Here“ will reduzierter sein und den Schwerpunkt auf die Akustikgitarre legen, aber bei dem Schlagwerkeinsatz sind die Folklorerocksongs doch recht wuchtig und viril geraten. Neue Indieclubhits wie „Vagabonds“ oder „51st State“ sind natürlich nicht enthalten, ein metallischer Kracher wie „Today Is A Good Day“ ebensowenig. Vielmehr setzt die Band um Justin Sullivan den danach eingeschlagenen Weg fort und verschiebt die Musik von griffiger Rockigkeit zur anspruchsvollen, aber durchschlagenden Atmosphäre. Wer da jetzt „langweilig“ ruft: Sullivan ist 63 Jahre alt (was man seinem Gesang auch mal anhört), der darf das jetzt mal.

Merkwürdig ist, dass die Band den Umstand so hervorhebt, sich dieses Mal auf akustische Gitarren fokussiert zu haben, anstatt auf elektrisch verstärkte. Die gehören doch ohnehin zum Sound der Band, auch die großen Hits von vor 30 Jahren fußen darauf, und so stellt sich weniger ein erwartetes Umstellen beim Hören ein, sondern vielmehr eine Rückkehr auf vertrautes Terrain. Der Grundsound ist also beinahe typisch New Model Army, die Ausrichtung der Songs indes folgt den jüngeren Pfaden der Band. Mit „Between Dog And Wolf“ begannen die fünf, das Perkussive in ihrer Musik in den Vordergrund zu rücken, und diese Vorgehensweise ist auch heute heraushörbar, wenn auch nicht mehr derart vordergründig: Der Schlagzeuger hat alle Hände voll zu tun, auch in Balladen oder Midtempo-Nummern, von denen es einige gibt auf „From Here“.

Was aber nicht schlimm ist: Sullivans Solo-Album „Navigating By The Stars“ aus dem Jahr 2003 schließlich wird allein von seiner Stimme und der Akustikgitarre getragen, ist reduziert und doch kraftvoll, und diesen Geist vernimmt man nun auch im Bandkontext auf „From Here“. Dazu beigetragen hat sicherlich der Umstand, dass man sich für die Aufnahmen ins nasskalte Nordnorwegen zurückzog; nautische und maritime Stimmungen wie eben auf dem Soloalbum vernimmt man auch hier in der Musik. Weniger indes in den Texten, die wie gewohnt auf die aktuelle politische und soziale Lage der Welt eingehen; Sullivan ist einer von den linksorientierten Guten, er hat die gereckte Faust immer dabei, wenn er seine Inhalte vermittelt, und auch wenn man seiner Stimme inzwischen eine gewisse Altersbrüchigkeit anhören mag, ändert das nicht an der Nachdrücklichkeit seiner Themen.

Passend dazu gelingen New Model Army auch auf „From Here“ musikalische Ausbrüche, die das Attribut „Rockband“ nach wie vor rechtfertigen. Das Quintett entfacht Stürme, und wenn keine zerstörerischen Tornados, so doch wilde Herbstorkane. Mitreißend, in der Tat, und in den Stimmungen wechselnd, Ruhephasen zulassend. Und wenn man das Album erstmal mehrmals gehört hat, stellt man auch fest, wie sehr sich die Melodien und Stimmungen im Geist festsetzen. New Model Army bleiben eine verlässliche Basis im Indie; ohne jemals eine Reunion angeschoben haben zu müssen, überdies: Es gibt sie seit 1980 ununterbrochen.

Das Cover von „From Here“ gestaltete wie immer bei New Model Army Joolz Denby, die engste Freundin der Band und neben Sullivan einziges Quasi-Gründungsmitglied. Seit immerhin sechs Jahren und fünf Alben spielt New Model Army in dieser Besetzung zusammen, und das hört man diesen Veröffentlichungen auch an: Sie tragen eine wiedererkennbare Handschrift innerhalb der New-Model-Army-Handschrift. Man mag das Wort „Alterswerk“ noch nicht bemühen, denn andere Dreiundsechszigjährige klingen definitiv verbrauchter als Sullivan, der mittlerweile, anders als zu Beginn seiner Karriere, nicht einmal mehr verbraucht aussieht.