Meat Beat Manifesto – Opaque Couché – Flexidisc 2019

Von Matthias Bosenick (26.06.2019)

„Opaque Couché“, oder auch „Drab Dark Brown“, oder auch „Pantone 448 C“, oder auch „Die hässlichste Farbe der Welt“: Was beabsichtigt Jack Dangers damit, wenn er sein neuestes Album unter dem Projektnamen Meat Beat Manifesto danach benennt, wie in diversen Ländern Zigaretten abschreckend verpackt werden? Und darauf dann Musik veröffentlicht, die es wie eine Kopie des Vorgängers „Impossible Star“ erscheinen lässt? Also abstrakte Komplexbeats, losgelöst von sowohl Popstrukturen als auch solchen, mit denen Dangers seit über 30 Jahren andere große Hitmacher beeinflusst, von Bigbeat über Dubstep bis IDM. Kann man zwar gut hören, aber eine Offenbarung ist es nicht.

Es erweckt den Eindruck, Dangers wolle zu akustischen Kubisten wie Aphex Twin oder Autechre aufschließen, anstatt weiterhin der Vorreiter zu sein. Aber wer weiß, was er mit „Opaque Couché“ tatsächlich noch vor offensichtlicher Wahrnehmung versteckt und was erst in einem Jahrzehnt als Quelle für halsbrecherisch intellektuelle Strömungen als Referenz dient. Es war ja in den Achtzigern und Neunzigern auch nicht vorherzusehen, dass The Chemical Brothers oder The Prodigy sich einmal auf ihn berufen, wenn sie die Tanzflure mit ihrem massenbegeisternden Bigbeat beherrschen.

Die Wärme der Jazzzeit, die Meat Beat Manifesto noch vor 15 Jahren vertrat, nach den Hip-Hop-, Sample- und fetten, dubbigen Beat-Großartigkeiten, ist mit dem Umweg über Acid-Exkurse spätestens seit der „Kasm“-EP vor vier Jahren, mit den minimal-abstrakten Sounds, entfleucht. Kalt, schwer zu greifen, intelligent, herausfordernd gestaltet Dangers seine Sounds seither, und sagt selbst dazu, „Opaque Couché“ sei der nächste Schritt auf der Suche nach dem „most imperfect pop song“. Das beschreibt es recht gut, Ohrwürmer sind hier nur schwer auszumachen, nachdem man sich womöglich auf weitere Hits der Marke „Original Control“, „Lead Asbestos“ oder selbst „Drum Test“ gefreut hat.

Vier der 16 Tracks auf diesem Album sind Zweitverwertungen: Wie schon auf „Impossible Star“ sind hier zwei Stücke der „Kasm“-EP enthalten, die anderen beiden mithin, wenngleich einer davon gekürzt ist. Ebenfalls gekürzt sind die beiden bis dato exklusiven Tracks der Tour-EP „Pin Drop/No Design“, die Dangers vor zwei Jahren auf Vinyl verkaufte. Diese Stücke belegen nun, dass die Hoffnung berechtigt ist, „Opaque Couché“ könne im Ansehen des Hörers noch wachsen, denn sie stechen aus der Soundmasse als vertraut und angenehm hervor; so könnte es sich also mit den restlichen Tracks ebenfalls verhalten. Bis dahin erscheint das Album wie ein kreativer Stillstand, auf dem berühmten hohen Niveau gottlob.

Immerhin: Konsequent ist er, der Dangers. Und ein Witzbold: Ein Track heißt „CarrierFreq“, und unter diesem Alias betreibt er einen Youtube-Kanal mit MBM-Videos. Als Sidekick ist hier übrigens einmal mehr Ben Stokes an Bord, schon länger einziges weiteres Mitglied von Meat Beat Manifesto. Der Mann hat bereits diverse Credits in seiner Discographie, darunter bei Martin Atkins‘ Industrial-Supergruppe Pigface, das Alias H-Gun Labs, unter dem er mit Visualisierungen unter anderem für Front Line Assembly, Ministry, KMFDM, Megadeth, Anthrax und Meat Beat Manifesto arbeitete, sowie das Alias Tino mit den früheren MBM-Mitgliedern Mike Powell und John Corrigan. Fügt sich passend zusammen. Und so abschreckend ist die Farbe auch wieder nicht.