MARS./Trash On Mars – Benjamin Tuček – CZ 2018

Von Matthias Bosenick (11.1.2018)

Der philosophische und gesellschaftsanalytische Ansatz ist aller Ehren wert, doch gelingt es dem Drehbuch nicht, diese Ansätze schlüssig zu transportieren. „MARS.“ ist als Komödie gemeint, aber ohne Timing und stringente Orientierung. Über einige Stereotypen kommen die Figurenzeichnungen nicht hinaus, die Gags versanden im Marsstaub. Der auch noch wenig überzeugend dargestellt ist. Trotzdem bleibt einiges hängen, mit dem man sich noch einige Zeit später beschäftigt. Die Idee ist nicht doof, nur doof umgesetzt.

Sechs Touristen gelangen im Jahr 2118 in eine heruntergekommene Station auf dem Mars, in der sie ein bis dahin auf sich selbst gestellter Roboter empfängt. Die sechs Personen haben unterschiedliche Gründe für ihre Reise zum Mars: Forschung, Hochzeit, Gewinnerin des vermeintlichen TV-Events werden. Doch auch der Roboter verfolgt Ziele – und diese Figur ist im Grunde die wichtigste, weil gehaltvollste des Films.

Zunächst erscheint es etwas merkwürdig, dass sich der Android während seiner langen Einsamkeit mit einem Western-Comic ohne Worte beschäftigte und ständig irgendwelche nordamerikanischen Ureinwohner zitiert, doch offenbart er im Laufe des Film seine eigentlichen Absichten. Nur so viel: Es geht um Kolonisierung, deren Opfer die Indianer auf dem amerikanischen Kontinent waren. Sein Cowboyhut und seine selbstgebaute Westerngitarre sind indes nur sporadisches Blendwerk; schon hier greift das Drehbuch nicht ausreichend durch.

Auch in seiner Reflexion trägt der Roboter aufschlussreiche Züge: Vendy, eine der sechs Touristen, glaubt, in sich einer Art Big-Brother-Container zu befinden und dass der Roboter in Wahrheit ein Autist ist. Diesen Glauben wiederum nutzt der Bot, wie alle ihn nennen, für sich aus, da er in dieser unbefangenen Ungläubigkeit den idealen Kandidaten für sein Vorhaben sieht.

Das allein wäre eine schöne Grundlage für eine gelungene Komödie. Der Film setzt zu einer Zeit an, zu der der Mars als Objekt menschlichen Strebens längst wieder out ist; entsprechend heruntergekommen ist die Station und sind die Besucher. Auch in ihnen steckt einiges Potential; das stinkreiche ignorante Hochzeitspaar, die sexgeile Psychologin und die Facebook-süchtige Vendy stecken die Ecken eines heutigen gesellschaftlichen Handelns ab. Doch damit hört es schon auf: Zwei weitere Teilnehmer bleiben als Figuren blass und verwechselbar. Und mehr als ihre Stereotypen tragen die anderen als Charaktereigenschaften auch nicht. Zudem agieren und sprechen sie beinahe willkürlich, die Szenen wirken wie aneinandergestümpert. Als Krönung sind die Dialoge viel zu flach und die Pointen frei von Timing („Whitney Houston, wir haben ein Problem“). Richtig gut ist nur der Gag mit Marseille.

Außerdem wirken die Rahmenbedingungen nicht wie das, was sie darstellen sollen. Der Mars sieht aus wie ein Tagebaugebiet in Ostdeutschland, die Atmosphäre und die Schwerkraft gleichen der der Erde (und die eingestreuten verfremdenden Digitaleffekte reißen das Ruder nicht herum, sie nerven eher); das fügt sich natürlich in die ständig unterschwellige Fragestellung ein, ob die Geschichte nun wirklich auf dem Mars spielt, was allerdings sein muss, weil sonst die Rolle des Bots sinnlos wäre, und was wiederum für eine miserable Kulisse spricht. Auch die Raumanzüge wirken wie aus einem Filmmuseum. Zudem sind im Jahre 2118 Kultur und Technik auf dem Stand von heute; Leute machen Selfies mit ihrem Smartphone und einem Selfiestick, sprechen von Facebook, kommunizieren über heutige Technik, lästern über Windows 95 und tragen Kleidung von heute. Natürlich ist Science Fiction immer ein Spiegel der Gegenwart, aber ein bisschen mehr Fantasie wäre erfreulich gewesen.

Etwas schwierig ist es, den Dialogen zu folgen, die wechselnd auf Tschechisch und schlechtem Englisch erfolgen sowie mit entsprechend umgekehrten Untertiteln; es ist etwas mühselig, in Sekundenbruchteilen zu switchen zwischen Lesen und Hören, aber auch reizvoll, den Film so zu strukturieren. Musikalisch reizt Tuček seine Fantasie etwas besser aus: Die Twang-Scores nicht mitgerechnet, generiert er eine technoide Musik, die nicht dem heutigen populären Stand entspricht und somit als einziges im Film wahrhaftig futuristisch wirkt.

Nun bleibt die Frage, warum der Film zu zerhackt und zerschnippelt wirkt. Ist es das Unvermögen des Regisseurs, der mit 46 Jahren erst seinen zweiten Spielfilm gedreht hat, oder ist es ein tschechischer Humor, den man sich erst erarbeiten muss? Oder ließ das minimale Budget von 123.000 Dollar nicht mehr zu? Wie auch immer, was hängen bleibt, sind die merkwürdigen Ideen des HAL-artigen Bots, der die absurden Raumfahrertypen sogar den Mars begrünen lässt. Oder etwa doch einen anderen Planeten?