King Gizzard & The Lizard Wizard – Onmium Gatherum – King Gizzard & The Lizard Wizard 2022

Von Guido Dörheide (24.05.2022)

In meiner Feder führen zwei Sätze für diese Rezension über „Omnium Gatherum“ von King Gizzard & The Lizard Wizard gerade einen erbitterten Kampf, wer zuerst krautnick.de betreten darf. Für den Fall, dass es auf ein Remis hinauslaufen wird – entscheiden Sie bitte selbst:

Satz 1: Die Band, deren abgekürzter Name sich anhört wie ein Radiosender aus den USA (… „Hi this is KGLW, and we are on air right now…“), ist wieder da – ohne je weg gewesen zu sein – und zwar mit ihrem 20. Studioalbum seit 2012.

Satz 2: King Gizzard & The Lizard Wizard sind für Melbourne, Victoria sowas wie Guided By Voices für Dayton, Ohio.

Ich habe eine Idee – eine winzige Einfügung dazwischen und einen Heiermann für Satz 1, damit er sich bei Bülent am Kiosk Hagenring eine bunte Tüte kaufen kann, und der Kampf ist entschieden:

Also hier jetzt die winzige Einfügung dazwischen: Wobei ich zugeben muss, dass KGLW mich nicht nur sehr viel weniger langweilen als GBV, sondern auch über die viel wirkungsmächtigere Abkürzung des Bandnamens verfügen.

Na? Und? Hm? Häh? Jetzt mache ich mit Copy&Paste Satz 1 hier hin, und fertig ist die Einleitung. Satz 1 präsentiert mir derweil voller Stolz die leckeren Lakritzbrezeln, die es früher für 5 Pfennig das Stück gab, und hängt sich Haribo-Kirschen über die Ohren. Ein wahrhaft guter Verlierer.

Auch auf Studioalbum Nr. 20 machen KGLW den für sie typischen durchgeknallten Psychedelic Rock, der mir immer wie eine 21st-Century-Version der 13th Floor Elevators vorkommt und mich immer ziemlich mitreißt. Und sie haben in 2017 – neben vier weiteren Studioalben und neun Singles – zusammen mit Mild High Club ein Album namens „Sketches Of Brunswick East“ veröffentlicht. Quasi ein innerer Weltspartag für einen Bewohner von Braunschweigs östlichem Ringgebiet.

In der Fachpresse muss sich die sechsköpfige Band um Sänger und Gitarristen Stu Mackenzie (m.W. nicht verwandt mit dem Lutz mit identischem Nachnamen) seit ihren Album-Veröffentlichungen während der Pandemiezeit (insbesondere „K.G.“ aus dem Jahr 2020 und „L.W.“ aus dem Jahr 2021) des öfteren vorwerfen lassen, sich seit einiger Zeit nur noch selbst zu wiederholen. Ich sehe das anders und stelle erfreut fest, dass mir jede neue Veröffentlichung von KGLW großen Spaß macht, und dass ein Teil dieses Spaßes daraus resultiert, dass KGLW inzwischen einen bandtypischen, unvergleichlichen Sound mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt haben. Bis „Infest The Rat‘s Nest“ von 2019, einem vorwiegenden Thrash-Metal-Album, das für den ARIA Award for Best Hard Rock or Heavy Metal Album nominiert war, haben KGLW tatsächlich von Album zu Album den Stil geändert. Einst gestartet mit Garagenrock, dann in die psychedelische Richtung weitergetaumelt, den Folkrock und den Jazz gestreift, irgendwann wie gesagt Heavy Metal, den Gesang zum ersten Album mit einem Telefon anstatt etwas wirklich Geeignetem aufgenommen, und sich mit diesem wahrhaft bekloppten Potpourri an skurrilen Einfällen in die Herzen der Fans und an die Spitzen der Charts gespielt.

Seit 2020 dominiert tatsächlich der Psychedelic Rock, aber das macht überhaupt rein gar nichts, da KGLW ihn auf eine Art und Weise spielen, wie sonst niemand anders. Stu Mackenzies Gesang ist angenehm und drängt sich nie in den Vordergrund – da hätte er gegen den Haufen an Instrumenten, teils von ihm selbst eingespielt, auch keine Chance, ist aber immer wiedererkennbar, die Melodien sind repetitiv und sehr angenehm, der Gitarrensound klingt immer noch oft sehr schön nach Garage, und Songs wie das gut 18minütige Eröffnungsstück „The Dripping Tap“ hauen die/den Hörenden schlicht um. Er beginnt mit ganz kurz Orgel, dann Schlagzeug und hinter einer Wand aus Hall verstecktem ruhigen Gesang. Walter Scheel of Pähl? Nein, nach einer Minute setzt eine KGLW-typische Gitarre ein (die Band arbeitet gerne mit mikrotonalen Intervallen, nach Meinung des Rezensenten eine der Haupt-Zutaten des KGLW-Signature-Sounds), der Song gewinnt an Tempo, das Schlagzeug hämmert und es entsteht ein Groove, der für KGLW typisch ist. Und irgendwann quietscht, groovt und rockt es gleichermaßen – wundervoll.

Mein Ratschlag: Nehmt Euch nicht das Buch vor, sondern hört da mal rein, und wenn Euch das Stück zusagt: Album kaufen, wenn nicht, ist diese Band vermutlich nicht Euers, und wird es auch nicht mehr werden, denn grundlegende Stilwechsel wie auf den ersten 15 Alben sind nicht mehr zu erwarten. Und das begrüße ich, denn mittlerweile haben KGLW einen hohen Wiedererkennungswert und langweilen dennoch nicht. Und ihre immensen Volumina an Veröffentlichungen schießen weiterhin durchs Netz und in die Plattenläden wie der sprichwörtliche Tsunami über den Okerstausee: „Omnium Gatherum“ allein ist mal eben lockere zwei Stunden lang, dazu gab es in diesem Jahr bereits ein 30minütiges Mini-Album („Made In Timeland“, erschienen im März), ein Remix-Album („Butterfly 3001“, aus dem Januar) und eine Split-EP („Satanic Slumber Party“, zusammen mit den einzigartigen Tropical Fuck Storm).

Besonders hervorheben und als Anspieltipp anempfehlen möchte ich hier noch „Kepler-22b“ mit dem schönen Hip/Triphoppigen Schlagzeug und dem wahrhaft sehr coolen Bass, sowie „Gaia“, das wieder in Richtung mastodonischen Heavy Metal geht, und „Sadie Sorceress“, das den late great Beastie Boys ein würdevolles und gekonntes Denkmal setzt.

Gegen Ende groovt das Album dann schöön gechillt vor sich hin – ich liebe den vorletzten Track „Candles“, der dann übergangslos in „The Funeral“ übergeht und dem Album ein typisch KGLW-mäßiges, augenzwinkerndes Ende gibt – einzige Textzeile von „The Funeral“ ist ein ewig wiederholtes „The Funeral, the Funeral, the Funeral“.