Karsten Weyershausen – Ist Götterspeise Blasphemie? – Edition Wortmax 2019

Von Matthias Bosenick (09.10.2019)

Mit einer bewusst unsortierten Sammlung kleiner bereits online veröffentlichter Texte begründet Karsten Weyershausen die Edition Wortmax, die aus dem gleichnamigen bundesweit vernetzten Literaturblog hervorgeht. „Ist Götterspeise Blasphemie?“, fragt er im Titel, und setzt nach: „Und andere völlig unnütze Gedanken zu Dingen, die sowieso nicht zu ändern sind“. Damit umreißt der Autor recht treffend den Geist, der ihn umtreibt: Im Spannungsfeld zwischen milder Beschwerde und resigniertem Fatalismus findet er die Rettung seiner Seele im Unnützen. Und das wissen wir Popkultursozialisierten: Im Unnützen liegt der meiste Spaß, das reflektiert dieses Buch vortrefflich, angesichts der Ausgangslage überraschend warmherzig sogar.

Der multibegabte Weyershausen offenbart sich in seinen Betrachtungen als feiner Beobachter. Er wandelt durch die Welt und spiegelt sich in ihr, nimmt dabei Bewertungen vor und bisweilen auch an ihr teil. Als Außenseiter einer Landjugend, die von ihm eine Lebensweise verlangte, die ihn nicht erfüllte, fand er sein Heil in der Flucht, und diese ermöglichten ihm Comics. Behutsam wagte er sich fürderhin in die weite Welt vor und lässt den Leser an seinen Erlebnissen und Empfindungen teilhaben. Seinen von Kleinauf gelebten Eskapismus rettete er dabei in die Gegenwart: Der Autor ist heute Berufscartoonist. So geht das.

Vieles, dem Weyershausen in der Welt begegnet, behagt ihm nicht, aber anstatt in simples grobschlächtiges Lästern zu verfallen, setzt er sich mit den Themen auseinander und bringt seinen Standpunkt differenziert hervor. Der muss dabei gar nicht immer so sehr abweichend sein, Weyershausen ist sehr wohl in der Lage, aus dem Angebot auszusieben, was in sein Universum passt. Das Außenseitertum indes legt er wohl auf Lebenszeiten nicht mehr ab, und das könnte Punkrock sein, wäre er mit dieser Rolle rundum zufrieden; indes, mit einigen Aspekten seines Lebens kann und will er sich nicht arrangieren, und das lässt er den Leser wissen, wenn auch häufig eher zwischen den Zeilen.

Größtes Rätsel sind für Weyershausen offenbar Frauen und die möglichen und eher unmöglichen Zweierkonstellationen, die sich mit ihnen einstellen – oder auch nicht. Wenn er die Vorzüge des Singledaseins betont, schwingt dezent ein beleidigtes Aufstampfen im Hintergrund mit. Aber mit Frau an der Seite käme er ja gar nicht mehr ausufernd zum Comiclesen. Oder zu den anderen Dingen, mit denen er sein Leben anreichert: Hollywood- und TV-Gossip durchstöbern, Bücher lesen und darüber schreiben, in anderer Menschen Lebensentwürfe blicken, im Internet Kuriositäten aus aller Welt recherchieren, in Kino und TV Filme gucken, Rassisten und Faschisten abkanzeln, über Sprache sinnieren, die Jugend nicht verstehen, das eigene Altern wahrnehmen und zu akzeptieren versuchen, Religionen kritisch betrachten, Fragen an die Welt richten, etwa die aus dem Titel, auf die er sogar eine Antwort findet: „Nur bringen Atheisten Andersdenkende nicht um.“

Das Vergnügen an der Lektüre dieses Bandes ergibt sich nicht nur aus der breiten Themenvielfalt, sondern auch aus Weyershausens Schreibstil. Selbst inhaltlich nachdrücklich lässt er sich nicht dazu hinreißen, sprachlich über die Stränge zu schlagen. Man mag dies in diesen Zeiten für betulich halten, liegt damit aber falsch: Weyershausen zeigt damit einen gewissen Respekt auch vor den Aspekten, die er ablehnt. Außerdem dringt eine Warmherzigkeit aus seiner Feder, der man sich gern hingeben mag: Trotz aller Unbill findet er eine Sonne in seinem Leben, und manchmal strahlt diese eben grün wie Götterspeise. Oder Hulk.