Imperial Triumphant – Spirit Of Ecstasy – Century Media 2022

Von Guido Dörheide (10.08.2022)

Ich mag Metal, auch und vor allem Extreme Metal, und ich mag Jazz. Wen also nimmt es wunder, dass mich Imperial Triumphant seit einiger Zeit tüchtig in ihren Bann schlagen? Oder ziehen? Prügeln? Die Kolleg:innen von metalinjection.net bringen es auf jeden Fall auf den Punkt: Rockmusiker spielen vier Akkorde für viertausend Leute, während Jazzmusiker viertausend Akkorde für vier Leute spielen. Imperial Triumphant machen eigentlich dasselbe, nur umgekehrt und für beide Arten von Publikum. Wenn man nun erreichen will, dass Imperial Triumphant auch endlich die Massen erreichen, müsste man nur die Gaststars aufzählen, die auf „Spirit Of Ecstasy“ versammelt sind: Allen voran Kenny G am Saxophon auf „Merkurius Gilded“, von seinem Sohn Max Gorelick an der Gitarre begleitet, außerdem sind unter anderem Alex Skolnick von Testament, Trey Spruance (u.a. Mr. Bungle) und Snake von Voivod mit von der Partie. Trotzdem kommt da nichts Eingängiges oder Massenkompatibles bei raus, sonder eher Erschreckendes/Verstörendes – vor allem Großartiges.

Wenn man die Musik des Trios aus New York City in irgendeine Schublade pressen soll, dann wäre es Black Metal (wenngleich druckvoller produziert) Jazz Fusion Dingenskirchen. Zachary Ilya Ezrin singt, als gelte es, Fenriz von Darkthrone bei „Sing meinen Song“ gegen Quorthon von Bathory auszustechen, die Musik ist basslastig, dumpf, aber facettenreich, und rockt teilweise richtig los (Beispiel: Das Titelstück „Chump Change“ ab ungefähr Minute 5), wobei aber immer Harmonien verwendet werden, die an der Eingängigkeit mit der Stufe 4 auf der nach oben offenen Miles-Davis-Skala vorbeischrammen. Das zweite Stück „Metrovertigo“ donnert anscheinend eingängig los, dann stellt die/der Hörende fest: Donnert ja, eingängig nicht, trotzdem zieht einen der Song unweigerlich in seinen Bann, man wäre am Ende locker dazu bereit, im Nexus dazu zu tanzen. Beim dritten Stück „Tower Of Glory, City Of Shame“ kriegt man dann gelernt, was Imperial Triumphant eigentlich ausmacht: Eine Orgel, die wahrscheinlich ein kapuzenverhüllter Wahnsinniger mit mindestens drei Händen bearbeitet, stoisch hämmernde Drums, diverse vermutlich eigentlich ganz normale Geräusche in beängstigender Verzerrung und dazu der düster-donnernde Gesang Ezrins. Pandemonium at its best.

Interessanterweise klingt das Ganze nicht irgendwie chaotisch, sondern schön strukturiert und gut durchdacht. Und doch irgendwie chaotisch. Die wollen einen echt auf die Probe stellen, ob man noch alle Latten am Zaun hat, sich sowas anzuhören, hätte ich jetzt fast geschrieben. „Spirit Of Ecstasy“ ist eins der Alben, das sich einem erst erschließt, wenn man es ganz leicht über Zimmerlautstärke abspielt. Dann aber dafür so richtig.

Zwischendurch ein paar Worte noch zum auf dem offiziellen Youtube-Kanal von Century Media abrufbaren Video zu „Merkurius Gilded“: Die Band ist maskiert – aber nicht, wie man es beispielsweise von Bands wie Ghost gewöhnt ist, sondern genau so, wie genau die Post-Black-Metal-Band aus Deinem schlimmsten Albtraum, die Dir nichts Gutes will, sondern die Dir vor Augen hält, dass Du durch eine aus Gutmütigkeit getroffene Entscheidung gerade die gesamten letzten Monate Deines Daseins weggeworfen hast – also genau solche Masken trägt diese Band und spielt dazu Musik. Eigentlich nicht wirklich Musik, sondern ein destruktives Requiem auf – ja, auf alles. Dazu fährt die Kamera zurück und gibt immer mehr von der surrealen Szenerie preis. Fährt zurück und zurück – irgendwann muss doch der Kameramann beim Zurückfahren mit dem Rücken gegen die Wand stoßen. Deine Mutter stößt beim Zurückfahren gegen die Wand, der Kameramann hingegen nicht. Von rechts torkelt ein Mann mit Gasmaske ins Bild, in der Gasmaske steckt ein Sopran-Sax, der Mann spielt ein Solo, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Aus Sicht der/des Betrachtenden links von ihm spielt jemand sehr gut, wenn auch nicht schön Gitarre. Die beiden sind Kenny G und sein Sohn Max. Die Szenerie scheint eine barocke Party abzubilden, an der nicht teilgenommen haben zu müssen man sich glücklich schätzen kann, die Kamera schwenkt über die Gäste, die trinkend Karten spielen, und als Zuschauer:in will man vor allem eins: nur hier raus.

Und das Album von Imperial Triumphant, das dieses brillante Stück Musik (?) enthält, wieder und wieder abspielen, wie den Unfall auf der A2, an dem man gerade vorbeifährt und von dem man nicht wegschauen kann. Dem auf „Merkurius Gilded“ folgendem Stück „Death On A Highway“ wohnt auch wieder genau dieser Zauber des Nicht-Wegschauen-Könnens inne, „In The Pleasure Of Their Company“ quietscht zunächst mächtig los und hat dann später lässig groovende Passagen, die Bläser tun auf jeden Fall weh in den Ohren, aber auf eine angenehme Art. Jazz-Hörer können sich eventuell vorstellen, wie das geht. Das vorletzte Stück „Bezumnaya“ baut sich langsam auf und steigert sich dann in eine brachiale Kakophonie hinein, um dann seehr schräg akustisch zu enden. Danach entlassen Imperial Triumphant die/den Hörenden mit „Maximalist Scream“ in eine Welt, die vielleicht weniger schlimm ist als das soeben akustisch Durchlebte. Erst wird geschrien, dann düster gegrowlt, das Schlagzeug versohlt einem die ganze Zeit den Hintern, dass es nur so splatattert, die Orgel orgelt ordentlich und irgendwann ist es vorbei. Un.glaub.lich.