Erasure – Ne:Ep – Mute 2021

Von Matthias Bosenick (04.01.2022)

Als hätten Erasure selbst gemerkt, dass das Remix-Album zur letzten, an sich guten Platte „The Neon“ Mist war, veröffentlichen sie den darauf befindlichen exklusiven und tatsächlich guten Track im Rahmen einer EP neu. Die knüpft an die mittelalte Klasse des Duos an, verzichtet auf schnödes Bummbumm und liefert dafür analog generierten Synthpop, minimalistischer als in den Achtzigern, also eher wie Anfang der Neunziger, und trotzdem schön. Der Titel „Ne:Ep“ suggeriert zwar EBM, aber so hart und so tanzbar ist die EP nicht, sondern mehr zum Schwofen und Zuhören.

Der Sound dieser fünf Lieder passt noch am ehesten in die Frühneunziger-Phase von Erasure, also grob „Chorus“ und „I Say I Say I Say“, weniger in die klassischen Achtziger. Damals hatte das Duo wie jedes Synthpopprojekt mit dem Übergang vom üppigen Achtziger-Sound in den strukturarmen Eurodance zu kämpfen, und Erasure schlugen sich vergleichsweise gut, hatten mit „Always“ sogar einen ihrer größten Hits und fügten dem mit „Erasure“ das beste, weil experimentellste Album ihrer Karriere an. Auf der „Ne:Ep“ sind die Songs also kompakter, weniger ausgeschmückt als in den Achtzigern, als Vince Clarke noch seinen Maschinenpark dahingehend auslotete, was er an Effekten jenseits von reiner Instrumentierung zu bieten hatte. Elemente dieser Art befeuerten die Atmosphäre vieler früher Hits, und das war in den Neunzigern offenbar nicht mehr so sehr gewollt.

Also volle Konzentration auf die Songs, und die sind gut. Andy Bell singt bisweilen vielstimmig mit sich selbst und fungiert so als zusätzliches Instrument, das verleiht den Liedern Wärme. Clarke verzichtet derweil darauf, allzu cheesige Sounds zu generieren, wie er es seit den Nullern zu häufig tat, und bettet Bells Stimme in Sounds, die zwar naturgemäß synthetisch-kalt sind, aber so behutsam arrangiert, dass sie ausreichend Plüsch entstehen lassen, um bestens zum Gesang zu passen. Schön ist das, mindestens.

Im Uptempo sind hier nur zwei Lieder gehalten, der Opener „Time (Hearts Full Of Love)“ und der bereits bekannte Gute-Laune-Rauswerfer „Secrets“, der noch am ehesten ein Gefühl von Achtzigern entstehen lässt. Die drei Stücke dazwischen, „Same Game“, „Leaving“ und „Come On Baby“, drosseln das Tempo und befeuern die Atmosphäre, während die Klammerstücke den Discofox im Hörer wecken. Diese EP gehört mit zu den schönsten Veröffentlichungen von Erasure der zurückliegenden 25 Jahre. Erstaunlicherweise gibt es sie übrigens als CD und Tape, aber nicht auf Vinyl. Anlass für die EP war der Tourauftakt des Duos am 1. Oktober, das dazugehörige Album „The Neon Live“ ist bereits angekündigt.