Von Matthias Bosenick (08.12.2022)
Herrlich: Hauke Harms hat Humor. Das dritte Album seines Electro-Ambient-Projektes DerHarms nennt der Ex-Grufti von Girls Under Glass fröhlich „Kosmische Kiffermusik“ und liegt damit vermutlich ganz richtig, wenngleich die wenigsten Hörer den Kosmos kennen dürften (andere Aspekte könnten weiter verbreitet sein). Der Künstler weiß, warum er das Album so benennt, denn es entstand in nebulösen Momenten mitten in der Coronazeit, als er sich mit seinen altertümlichen Sequenzern und Synthesizern in freiwillige Isolation begab und sich musikalisch in das einfühlte, was zwischen Berliner Schule, Space-Electro, Synthie-Kraut, Pop und Ambient so möglich ist. Erkenntnis: Es bedarf keiner Narkotika, um an dieser Musik Gefallen zu finden.
Einige Sequenzen dieser Sequenzermusik tragen beinahe etwas Klischeehaftes in sich, wenn die Gerätschaften eine Musik generieren, wie man sie aus den Siebzigern zu kennen meint, als es losging mit synthetischen Klangerzeugern und den damit generierten Traumreisen in den Weltraum, also eher einfach gehalten, kurze Melodiefragmente in Wiederholung mit wabernden Synthieflächen dahinter, aber das sind nur Momente, schließlich hat DerHarms sicherlich erlebt, wie sich die „Kosmische Kiffermusik“ seitdem entwickelte, und er wendet an, was diesbezüglich möglich ist. Manche Tracks also haben sanfte Beats im Niedrigtempo, andere lassen die Anfangszeit von Kraftwerk mit künstlichen Flötentönen (und einem entsprechenden niedlichen Titel mit Deppenleerzeichen: „Eine Flöten Melodei“) aufleben, die alsbald zunächst ins Orientalische und dann in die ersten elektronischen Kraftwerk übergehen, an mancher Stelle reißt DerHarms den Nebel auf und verleiht seinem Instrumentarium eine unerwartete moderne Schärfe, andernorts klingt seine Musik wunderbar wie Sythiepop aus den Achtzigern.
Natürlich ist das Album seine Stimmung betreffend weiträumig dort verankert, wo es der Titel spoilert: im Kosmos und im Kiffen. Die musikalischen Ausflüge ins All kennt man, seit es Krautrock und Ambient gibt, und mit all den spacigen Verzierungen, die die flirrenden, flächigen oder funkelnden Effekte so hergeben, hat man gleich Sternenbilder vor den Augen. Im All gibt es ja auch Nebel, wenn auch anderen, aber das mit der pflanzlichen Dreingabe als Einfluss kann man sich auch als Nichtkiffender genau so ausmalen. Die Dreiviertelstunde Musik ist auf jeden Fall nebenbei entspannend, aber auch detailliert genug, um konzentriert Freude daran zu haben, und außerdem trägt die Musik trotz kühler Synthiesounds eine herzwärmende Schönheit.
Für die Titel wilderte DerHarms, analog zu etwa Dominik Eulberg, vorrangig in der Natur. „Ein Baum“, also nicht das Wasserfahrzeug, heißt er erste, ausnahmsweise eher ungestüme Track, mit dem Zusatz „I See Trees“ in Klammern, dann gibt’s ganz komma- und sinnfrei „Tanz Schmetterling Tanz“, hernach ein „Liebliches Summen im Walde“, das man eher im spukigen Soundtrack von „2001: A Space Odyssey“ erwarten würde, sowie den „Schwanentanz“, wo nicht der genredefinierende Zaunpfahl „Kosmische Weite“ winkt. Nur der „Ausklang“ kombiniert Zweck und Bezeichnungssystematik. Von Hans Cousto und seiner Kosmischen Oktave ist hier überdies keine Rede, auch wenn das passen würde.
Zur Einordnung: Bei Hauke Harms handelt es sich um den früheren Keyboarder der Gothic-Rock-Band Girls Under Glass, der mit den Waverockern Calling Dead Red Roses und den Industrial-Projekten Trauma/Traum-B diese Spur weiterverfolgte, bis er sich vor zehn Jahren als DerHarms mit dem Album „Music4Cars“ dem Ambient zuwandte. Mit seinem mehrfachen Ex-Bandkollegen Axel Ermes ist er in diesem Felde bis heute verbunden – und außerdem aktuell als Tourkeyboarder mit der Electric Family unterwegs, der sein Labelchef Tom Redecker vorsteht. Das „Vol1“ im Titel von „Kosmische Kiffermusik“ lässt überdies hoffnungsvoll erwarten, dass Herr Harms nicht damit aufzuhören gedenkt, seine Apparaturen des nachts von bewusstseinserweiterndem Rauchwerk befeuert anzuwenden.