Dan Scary – Wohnhaft in der Leckt-Mich-Allee – Dan Scary 2019

Von Matthias Bosenick (06.01.2020)

Der Düsterpunk ist gnatzig, und die Gegenwart gibt ihm Recht dazu. Auf seiner neuen EP „Wohnhaft in der Leckt-Mich-Allee“ zieht er das Tempo und die Aggressivität seines gothicbefeuerten Elektropunks an, und textlich zieht er einen Kreis um sich herum, besser: um die rechtsgerückte Welt um sich herum. Dies vollbringt er weniger anklagend als beschreibend und vergisst dabei nicht, dass man dazu auch pogen, mit dem Kopf nicken oder drei Schritte vor und drei zurück gehen können sollte.

Die deutsche Nachbarschaft, der Klimawandel, die Auswirkungen sich wiederholender Lebensabläufe auf die Persönlichkeitsentwicklung (dafür braucht Dan Scary beinahe lediglich die zwei gegenübergestellten Wörter „Monotonie“ und „Stereotyp“), Nationalstolz, Regierungsversagen: Mitnichten ist dem Solomusiker seine Welt so egal, wie der Titel es vermuten lässt. Ja, die Welt ist Scheiße, und gelegentlich braucht man seine Ruhe vor ihr, um nicht komplett zu verzweifeln, aber dann zieht Scary auch wieder los, um auf das zu deuten, was in seinen Augen schiefläuft, und bereitwillig stimmt man darin mit ihm überein. In seinen Texten ist er zwar konkret, aber nicht anklagend; man kann dies bald als poetischen Kniff betrachten.

Weniger poetisch ist Scarys Musik: Getrieben von einem Drumcomputer, drückt sich sein Unmut in tiefgestimmten Bratzgitarren und erheblichem Tempo aus. Da kollidieren seine zwei Wurzelwelten Goth und Punk nicht, sondern fusionieren. Dazu wirft Scary den Achtziger-Synthie an und lässt die Sequenzen pluckern, wie in den ersten Jahren der Neuen Deutschen Welle. Doch wischt er mit seinem tiefen Gesang die Assoziation zu schlageresken Auswüchsen sofort beiseite. Eine etwas versiertere Produktion hätte das Fette an den Songs sicherlich besser herausgearbeitet, aber hier zählt insbesondere die Haltung, und da ist es erleichternd, zu wissen, dass man in einem Land voller Trolle und Schlimmerem nicht allein ist.