Code 37 – Jakob Verbruggen, Joël Vanhoebrouck – B 2009

Von Matthias Bosenick (21.04.2015)

Sechs Jahre später kommt nun diese vermeintlich unbedeutende Serie aus dem tatsächlich im Rest der Welt eher unbedeutenden TV-Serien-Land Belgien in Deutschland auf DVD heraus, und dafür ist ein geübtes Crossmarketing der Auslöser: Hauptdarstellerin Veerle Baetens spielt eine der drei Ermittlerinnen in der aktuell sowohl recht als auch zu Recht gefeierten Serie „The Team“, die ebenfalls bereits auf DVD erhältlich ist. Wer nun diesen Seitenschritt wagt, wird belohnt; Sexualdelikte als Thema könnten für Betroffene (von denen es erschütternderweise viel zu viele gibt) abschreckend wirken, doch verlagert die Serie das Gewicht von der Gewaltdarstellung auf die Haltung: Wer sich hier im Rahmen des Polizei-„Code 37“ strafbar macht, ist alles andere als ein Held – er ist ein Arschloch. Damit, mit sympathisch unsympathischen Charakteren und mit einer attraktiven visuellen Umsetzung punktet die Serie; da fällt es nicht so unangenehm auf, dass die Fälle an sich nicht immer die komplexesten sind.

Es ist von großem Vorteil für diese Serie, dass sie Gewalt nicht zelebriert oder heroisiert, wie es andernorts der übermäßige Fall ist. Es reichen kurze Bilder, um den verabscheuenswerten Sachverhalt zu visualisieren; auch das kann in Einzelfällen grenzwertig sein und an Voyeurismus zu nah heranrücken, definitiv. Doch wertet die Serie Sexualdelikte rigide und konsequent ab, wenngleich sie sich vor der Darstellung von Sexualität selbst nicht scheut. Dieser Mix ist seltsam, befremdlich; in Zeiten von allzeit verfügbarer und dargestellter Erotik nimmt er eben diesen Umstand auf und vermittelt damit die abwertende Haltung denen gegenüber, die die dünne Grenze zur Strafbarkeit überschreiten. Und das teilweise mit Genugtuung und Humor: Als das Ermittlerteam einen Kinderpornoinitiator festnimmt, sagen zwei der Polizisten: „Laufen Sie weg! Tun Sie uns den Gefallen.“ Das ist subtiler und schmerzhafter als der Griff in die Weichteile eines brutalen Luden, dem man sein Ludendasein nicht nachweisen kann.

Zur Serie: Veerle Baetens spielt Hannah Maes, die dem Sittendezernat in Gent als neue Chefin vorgesetzt wird. Sie zeigt ein Durchsetzungsvermögen, das in der Männerwelt durchaus als Schlampigkeit fehlinterpretiert werden könnte. Ihr Team besteht aus dem jungen, offenbar schwulen Muttersöhnchen Kevin, dem an sich gar nicht so unzart besaiteten Macho Bob und dem in die Jahre gekommenen lakonischen Charmeur Charles. Zwar löst sich die Selbstbehauptungskonstellation zwischen den zwei Parteien recht schnell auf („Wir haben endlich einen Chef, der Eier hat“), bleibt aber als Gaglieferant die gesamte Staffel über erhalten. In den 13 Folgen der ersten Staffel zeigen alle Figuren, dass sie ein belastendes Privatleben haben, das allerdings nicht wie bei Dänischen Serien als zweites Handlungsbein, sondern eher stichwortgebend. Die Ausnahme bildet Maes selbst, die die Vergewaltigung ihrer Mutter und die Verstrickungen ihres Vaters darin acht Jahre zuvor aufzudecken versucht; diese Geschichte bildet den Überbau, der sogar in einen Cliffhanger zur zweiten Staffel mündet.

Die Fälle nun sind oft ähnlich gestrickt: Schnell gibt es einen Verdächtigen, der ein Alibi hat und es am Ende doch war. Die Tatbestände sind nicht nur Vergewaltigungen, in das Aufgabengebiet des Sittendezernats gehören auch heimlich ins Netz gestellte Sexvideos, Gaybashing, Eifersuchtsdramen bei sich prostituierenden Ehemännern, Pornostets mit ungeschütztem HIV-Geschlechtsverkehr, Ritualritzungen im Rotlichtmilieu und weitere Delikte. Maes‘ in den USA erlernte Profiling-Kunst kommt nur dann zum Einsatz, wenn die übliche Vorgehensweise aus Kreuzverhören, Hausdurchsuchungen sowie Handy- und Emailauswertungen nicht zu Ergebnissen führt. Natürlich kommt es gelegentlich zu handfester Action und bedrohlichen Gefahrensituationen. Was die Serie nun trotzdem attraktiv macht, sind eben die Charaktere und wie sie miteinander umgehen. Trotz diverser Vorbehalte sind die vier Figuren einander loyal und lernen es, im Umgang Grenzen aufzuzeigen und sich Respekt zu verschaffen.

Die Farbgebung und die Kameraarbeit überraschen. Man wählt einen eigenen Stil, der nicht so neonkünstlich ist wie etwa bei „CSI“, sondern der Szenerie entsprechend angemessen kalt (Ermittlung, Rückblenden) oder auch warm (zu Hause bei Maes) sein kann. Zwar wiederholen sich einige signifikante Einstellungen, etwa Maes‘ Blick in den Rückspiegel ihres Autos, aber es wirkt nicht so stumpf und billig wie in der auf Deutsch so dämlich betitelten und in sich leider ebenfalls schlechten Serie „Nordlicht – Mörder ohne Reue (Dem som dræber)“ (also „Die, die töten“), in der jedes Mal, wenn das Kommissariat aus jedes Mal derselben Perspektive gezeigt wird, gerade ein Zug vorbeifährt.

Etwas verwirrend im Rahmen einer Serie, die Sexualdelikte anprangert, ist die Darstellung von Sexualität. Man sieht etwa Maes‘ abendliche Sexphantasien, während die Ermittler eigentlich gerade jemanden suchen, der es mit der Auslebung seiner Sexphantasien extrem übertrieben hat. Erregen und Abtörnen bilden damit bisweilen eine rätselhafte Einheit. Aber nun, so geht es zu im Leben, nicht die Sexualität an sich ist die Straftat, und nur, weil man gegen solche Straftäter ermittelt, heißt es nicht, dass man keine Bedürfnisse haben darf.

Drei Staffeln und einen Kinofilm gibt es von „Code 37“, da kommt also noch einiges auf den Markt. Was an der DVD sehr enttäuscht, ist der fehlende flämische Originalton. Rätselhaft, warum man darauf besonders bei TV-Produktionen immer wieder verzichten muss.