Burgwächter/Crueger/Weyershausen – Braunschweig’sche Weihnacht – Verlag Andreas Reiffer 2019

Von Matthias Bosenick (28.10.2019)

Wenn man es besinnlich will, sollte man nicht unbedingt dieses Triumvirat des Bösen ranlassen: Unflat Till Burgwächter, Blutjunkie Hardy Crueger und Sarkast Karsten Weyershausen beschreiben die „Braunschweig’sche Weihnacht“ mitnichten tourismusfördernd. Zwar finden sich Braunschweigkenner in diesen auch für ortsfremde zugänglichen Kurzgeschichten, Glossen und Cartoons zurecht, sehen sich dann aber nach anfänglicher Empathie und Herzenswärme hinterrücks von Abscheu, Hohn, seelischer Schwärze, Tod, Psychothriller und sonstigem Makabren überrumpelt. Ein Riesenspaß für alle Schwarzhumorigen und eine unerwartete Wende angesichts der verkaufsbegünstigenden Thematik. Als Geschenkverpackungsband empfiehlt sich hier ein Strick.

Da haben sich aber auch drei gefunden. Auch wenn Burgwächter sein Lästermaul nicht zubekommt, kann er nicht verhehlen, an welchen Aspekten von Weihnachten sogar er so sein Vergnügen hat: Ja, der Weihnachtsmarkt ist eine rappelvolle Kommerzbudenansammlung, und doch schmeckt ihm das ein oder andere Erzeugnis dort. Zudem erzählt er, wie er es auch unter seinem Klarnamen bei anderen Themen gern in kompletten Kompendien vollführt, die recherchierte Historie des Weihnachtsmarktes in Braunschweig nach und nimmt die als Aufhänger für seine abwertenden Ansichten. Viele seiner Beiträge sind relativ allgemein gehalten, über Adventskalender, Betriebsweihnachtsfeiern, Internetkäufe, verhinderte Kneipenabende, Lebkuchen und so weiter, jedoch versehen mit Lokalaspekten, also Nennung von Straßen, Gatsroeinrichtungen, Orten aus Braunschweig, und garniert mit Burgwächters eigener und meistens zustimmungswürdiger Art, die Dinge scheiße zu finden, aber eben nicht komplett. Außerdem erfindet er eine Geschichte über den Zusammenhang zwischen Fahrraddiebstählen und Weihnachtsgeschenken und begibt sich damit schriftstellerisch auf das Terrain seines Buchkollegen.

Denn Crueger gibt auch hier vielmehr den Erzähler als den Kolumnisten, genau wie in seinen historischen Romanen und Krimis. Er lässt seine Protagonisten gern dem Tod ins Auge blicken, doch hat er ein großes Herz für die Unterdrückten, Einsamen, Benachteiligten. In seinen Geschichten hat Braunschweig selten eine narrative Relevanz, aber er lässt wie Burgwächter die Kulissen in seine Geschichten einfließen, bei denen ebenfalls die Jahreszeit wichtiger ist als der Ort, sie mithin auch überregional funktionieren. Der Erzähler beginnt zumeist einfühlsam und besonnen mit klassischen, ebenfalls häufig kritisch beleuchteten Themen wie Schrottwichteln oder Familienfeiern, und genau damit wirken seine dunklen Abgründe umso heftiger. Überfall im Eigenheim, Suizidgedanken, islamistische Terroranschläge, Drogenkriminalität, gesellschaftliche Verlierer, Knastbiografien, Mordfantasien: Man wundert sich, dass es Crueger trotzdem immer wieder gelingt, auch mit solchen monströsen Geschichten letztlich immer wieder Wärme zu vermitteln. Damit ist er vermutlich näher am authentischen Weihnachten als die glitzernden Scheinwelten, über die sich in der anderen Hälfte der Beiträge Cruegers Kollege Burgwächter so herrlich aufregt. Es fügt sich also.

Als Krönung setzt sich auch Weyershausen mit dem verordnet besinnlichen Thema auseinander und findet seine bitterböse Sicht auf die Dinge. Auch er jongliert mit Blut und Drogen, streckt seine Finger aber noch in Gegenden aus, die die beiden Schreiber nicht absteckten, darunter Genderfragen, Modernisierung und Glaube an sich. Sein an Bernd Pfarr geschulter Strich kontrastiert vortrefflich die harmlose Erscheinung und den abgründigen Inhalt.

Wer nun also unbesehen seinen Liebsten woanders ein Braunschweiger Geschenk zukommen lassen will, sollte gewarnt sein: Dieses Buch ist für Hartgesottene besser geeignet als für die Oma in Berchtesgaden. Die liebe Christenheit hat sicherlich ihre liebe Not mit diesem dabei gar nicht explizit unchristlichen Buch. Es ist für Weihnachtsfanatiker also vielmehr eine Horizonterweiterung als eine Wunscherfüllung. Für alle anderen ist es ein größeres Fest als bisweilen das Fest der Liebe selbst. Der Weihnachtsmann mit der Kippe im Mundwinkel auf dem Cover sei für alle ein deutlicher Hinweis.