Blinky Blinky Computerband – For A Better World – Blinkypix 2016

Von Matthias Bosenick (09.09.2016)

Auf seinem neuen Album „For A Better World“ gibt Olaf Krautwurst seiner selbstgewählten Stilbezeichnung „Strange Electro Pop“ für sein Projekt Blinky Blinky Computerband eine gewaltige Ladung zusätzlicher Durchschlagskraft: So abwechslungsreich wie hier war sein elektronisch dominierter Sound noch nie. Das liegt nicht nur an seiner eigenen großen Bandbreite in synthetischer Musik, sondern auch an seinen Gastmusikern, allen voran Michael Arnold alias Arni, der auf fast der Hälfte der Songs an der E-Gitarre zu hören ist. Und außer der des Schreibers dieser Zeilen und des Synergy-Bandchefs Henning Reuter sticht besonders eine Gaststimme hervor: die von Darrin Huss, seines Zeichens Kopf des einst kanadischen Synthie-EBM-Projektes Psyche. Ja, hier geht was!

Schon von sich aus ist Olaf vielseitig: Er kann EBM, Industrial, Synthiepop, Techno, Ambient und alle möglichen elektronischen Spielarten dazwischen. Bei Blinky Blinky Computerband liegt der Schwerpunkt zwar eindeutig im Pop, doch gewinnt er dem Seiten ab, die man eher nicht im Radio hört; da brechen sich seine früheren, härteren Projekte wie Inside Agitator oder Abnormal Dysfunction Bahn, jedoch nie so, dass es direkt nach ihnen klingt. Olaf hat sich längst weiterbewegt, und auch wenn er alte Songs hier in neuen Fassungen bringt, dann haben sie bis auf den Text und die Akkordfolgen nichts mehr mit den Urversionen gemein.

Der Schwerpunkt von Olafs Musik liegt weniger auf den Kompositionen als auf den Arrangements, da ist er ein Meister seines Fachs. Er zaubert unerwartete Elemente zusammen und kreiert eine breite Palette von Atmosphären; so kann er dunkel und bedrückend ebenso sein wie freundlich und tanzbar. An mancher Stelle mag er zudem seinen Witz nicht verbergen: Erinnert die eine Melodielinie nicht etwas an „Smalltown Boy“, die andere Pizzicatogeige nicht an „Lullaby“? Und was kiekst eine junge Dame da eigentlich plötzlich im Offbeat?

Das unerwartetste Element ist indes Arnis Gitarre. Hier kann man sich nur vor Olafs Konzept verneigen: Er ließ Arni zu seinen Songs jammen, nahm die dabei entstandenen Sounds auf und fügte sie nach seinem Geschmack den Liedern zu. Bedeutet: So gut wie nichts, was man hört, hat Arni auch so gespielt – Olaf erstellte quasi eine eigene Sampledatenbank. Wichtig war ihm dabei aber, dass die Gitarre eben nicht so klang wie aus einer fertigen Datenbank, sondern er ließ auch mal Schräglagen und ungerade Töne zu. Damit schafft er einen spannenden Spagat: Einerseits ist Olafs Musik elektronisch, also synthetisch, andererseits durchbricht die absolut beseelte Gitarre genau diese systemimmanente Künstlichkeit. Nächster Pluspunkt dabei ist, dass die Gitarre bei keinen zwei Stücken gleich klingt, sondern immer der Atmosphäre angepasst durch die Effektgeräte gejagt wurde. Da erinnert ein „Killing Machine“ angenehm an Neunziger-Großtaten von Ministry, mit einem Bigbeat von The Prodigy versetzt, da trägt ein „Somewhere At Night“ den Sound der australischen Wüste, wie ihn etwa Hugo Race darbietet, oder gemahnt ein „Ghost Train“ an die Elektro-Gitarre-Hybriden der wavigen Neunziger wie von The Fair Sex.

Typisch und beachtlich für Olafs Musik ist, dass er aus seinem Heimstudio so einen beachtlichen Wumms herausholt. In einem DJ-Set untergebracht, fielen seine Songs nicht ab. Dazu gesellt sich seine dunkle, rauhe Stimme, mit der er sehnsuchtsvoll an die alten, also noch kreativen, Songs von Project Pitchfork denken lässt. Inhaltlich bedient er eine nicht minder große Palette: Anti-Drogen-Songs („Another Obnoxious Thought“), Auftragsmörder-Selbstbeweihräucherung („Killing Machine“), die Unberechenbarkeit des Lebens („Ghost Train“) oder der Umstand, dass ihm gerade kein Text einfiel (im sehr komischen „Words & Inspiration“). Seine Gäste erweitern das Spektrum, auch im Sound; Darrin Huss mit „Up Close“ um ein vielstimmiges, energiegeladenes Stück Pop, Henning mit „Strange Live“ um den Synthie-Pop, der an seine Hauptband Synergy erinnert, und der Autor suchte sich mit „Ich will nicht tanzen“ ein Demo aus, das ihn an Achtziger-EBM im Stile von Nitzer Ebb oder DAF erinnerte.

Zu vier Songs gibt es digitale Singles mit diversen Remixen, die sich nicht nur lohnen, sondern die den Originalen sehr unterschiedliche Aspekte hinzufügen. Zwei davon harren noch ihrer Veröffentlichung, außerdem liegen Olaf noch mehr Remixe vor, als er auf den Singles unterbringen kann. Da kommt noch was. Auch live! Die CD ist übrigens die dritte, die aus einem Presswerk kommt; das macht die Zählung der Blinky-Alben nicht einfach. Sagen wir einfach: Es ist das neueste.