Arthur & Claire – Miguel Alexandre – D/A/NL 2017

Von Matthias Bosenick (14.03.2018)

Ein Titel (und ein Soundtrack) wie von Woody Allen, eine Zusammenkunft wie in „Lost In Translation“, ein Abgang, der an „Love Story“ erinnert, und ein Hauptdarsteller, der sein Hauptbetätigungsfeld als Kabarettist hier zugunsten des hervorragenden Gesamtergebnisses zurückfährt: Das ist „Arthur & Claire“ mit Josef Hader. In Amsterdam halten sich zwei Suizidgefährdete davon ab, ihr Vorhaben umzusetzen; Tragik und Komik in dieser Zusammenkunft sind sehr wienerisch, die Handlung fußt auf Dialogen, die Entwicklung rührt an. Nach „Wilde Maus“ wieder ein gelungener Film mit Hader. Und wie!

Hader als Arthur reist hier nach Amsterdam, weil er dort einen Arzt kennt, der ihm die Todesspritze setzen darf. Seine letzte Nacht will er im Hotel verbringen, wo er dummerweise von der jungen Claire in seiner Ruhe gestört wird. Er hält sie aus Versehen davon ab, sich umzubringen, woraus sich nach und nach eine zaghafte Freundschaft in der Kifferhauptstadt entwickelt. In ihrer Verschiedenheit ergänzen sich der alte grantige Österreicher und die direkte und schlagfertige Niederländerin. Dabei drehen sich ihre Dialoge nicht vordergründig um ihre Vorhaben, sondern um eben die Unterschiede, kulturell, sprachlich und in der jeweiligen persönlichen Lebensweise. In Folge dessen erkennen beide Alternativen zu ihrem eigenen bisherigen Leben und bekommen Anstöße dafür, den Suizid als Lösung für ihre Probleme in Frage zu stellen.

Beim Erzählen dieser Geschichte geht der Film alles Erforderliche überraschend richtig zuwege. Das Tempo stimmt, hier folgt nicht plump Lacher auf Lacher, keine Action, keine Hektik, auch in Konfliktsituationen, und die haben Arthur und Claire so einige. Im selben angemessenen Tempo treffen die Dialoge aufeinander, eben nicht permanent, sondern mit Ruhepausen, aber dann mit Nachdruck und einer Schwärze, die nur aus der Grundkonstellation heraus so finster und doch so erleichternd sein kann, schließlich ist der Tod hier – anders als sonst in der Gesellschaft – nie Tabu. Der Kabarettist Hader macht hier eines richtig: Er nimmt sich selbst zurück, er spielt den Arthur nicht als reines Vehikel für seine Pointen, sondern lässt ihn mit Claire auf eine Weise interagieren, die beide absolut authentisch erscheinen lässt. Die Pointen kommen hier nicht wie nach Drehbuch, sondern wie ein natürlicher Teil der Charaktere. Damit zünden sie umso nachhaltiger und erschaffen im Kontrast zu den deprimierenden Anteilen einen viel deutlicheren Blick auf das Lebenswerte am Leben.

So direkt gehen die Figuren hier nämlich selten auf das Lebenswerte an sich ein, das ist ein weiterer positiver Aspekt am Drehbuch. Vieles erlebt man wie nebenbei als Betrachter und spiegelt es im eigenen Lebenswillen. Menschen mit Geld haben es in manchen Punkten natürlich einfacher, wenn es etwa um Genuss geht. Wein und Whisky, Essen und Kiffen, Tanzen und teure Autos: Das Leben hat einiges zu bieten, dessen Wert man vor lauter Selbstverständlichkeit vergessen kann. Letztlich sind es natürlich die nichtmonetären Werte, die sich zwischen den beiden Lebensmüden einstellen. Das mag kitschig erscheinen, trifft aber die Seele des Films sehr gut und funktioniert als überzeugender Gegenentwurf zum Selbstmord. Dafür nimmt man das erwartbare retardierende Moment in Kauf; das musste wohl so sein.

Darüber hinaus punktet der Film mit weiteren Aspekten. Er ist wundervoll anzusehen, die Farben in Innenräumen sind tief, dunkel, kontrastreich, die Bildausschnitte nicht gewöhnlich. Das hebt „Arthur & Claire“ über den reinen Kabarettfilm, das geht in Richtung Filmkunst. Die nicht untertitelte Vielsprachigkeit mit all ihren Fassetten bildet ein Stück Europa ab und trägt als weiteres Merkmal zur Authentizität des Films bei. Hannah Hoekstras niederländisches Deutsch ist herrlich, auch wenn sie es für einen „blöden Rudi-Carrell-Akzent“ hält. Übereinander lästern macht nur dann Spaß, wenn man über sich selbst lachen kann, und das können beide. Man könnte hier jetzt eine Unzahl an Zitaten bringen, aber die kann man sich gar nicht alle merken.

Es bleibt die Erkenntnis, einen der besten Filme der jüngeren Zeit gesehen zu haben. Dem Trübsal ein Ende, dem Tod den Tod.