The Hu live im Wolters Applausgarten – Sonntag, 15. Juni 2025 (Vorband: Eihwar)

Von Guido Dörheide (16.06.2025)

Ich war immer skeptisch, was die Hu anbetrifft, konnte ich mich doch noch gut an den Hype um eine mongolische Rock- bzw. Metalband vor einiger Zeit erinnern und auch, wie ich damals dachte, „Vertraue nie dem Hype“, und so immer einen Bogen darum gemacht habe, mir „The Gereg“ (2020) einmal anzuhören.

Ein Album („Rumble Of Thunder“, 2023) und ein Live-Album („The Hu Live At Glastonbury“, 2024) später muss ich sagen: Da hätte ich auch gleich zu Anfang schon zugreifen können, The Hu sind mit ihrem mongolischen Folk, den sie virtuos mit Metal kombinieren, nicht nur exotisch, sondern wirklich gut und authentisch. Wahrlich, dagegen klingen die von mir ebenfalls sehr geschätzten Powerwolf wie Dschingis Khan (sorry für diese Platitüde, aber bei echten Mongolen konnte ich sie mir nicht verkneifen).

Kurz vor 20 Uhr betritt eine in eine Art schwarzes Mönchsgewand und Balaklava bekleidete Gestalt die Bühne und macht sich an im Vordergrund aufgestellten elektronischen Geräten zu schaffen. Kurze Zeit später betritt eine in beiges Leder und graues Fell gekleidete Frau mit einem über das schwarz-rot geschminkte Gesicht gezogenen Tierschädel die Bühne und beginnt zu tanzen. Hinzu gesellt sich der Mönch mit der Sturmhaube, inzwischen komplettiert mit mittelalterlichem Ritterhelm, und beginnt, einem Computer und einem elektronischen Schlagzeug wikingische Kriegs-Trance-Musik zu entlocken, derweil die tanzende Schamanin mit einer supertollen Stimme zu singen beginnt und sich dann eine hinter ihr herumliegende Trommel greift und tanzend darauf einschlägt. Es handelt sich um das französische Duo Eihwar, das das Warm-up für die Hauptkapelle zu einem im Gedächtnis haftenden Ereignis macht: Fast alle vorgetragenen Stücke sind im Viking War Trance beheimatet, d.h. Mark drischt hymnisch auf sein düster donnerndes Elektro-Schlagzeug ein und Asrunn bewegt sich dazu, singt das Publikum in Trance und verprügelt ihre Trommel. Dieses unheimlich gut funktionierende Schema wird nur einmal durchbrochen, nämlich, als Mark zur akustischen Gitarre greift und sich dazu hinsetzt und Asrunn mit den Worten „I am too old for this bullshit!“ ebenfalls auf ein Sitzmöbel fallen lässt und die beiden ein wunderschönes, ruhiges Stück anstimmen. Dazwischen erzählt Asrunn, wie gerne sie in Deutschland auftrete, wie sehr man sich geehrt fühle, dass The Hu sie als Gast für einige Konzerte ausgewählt haben, wie toll das Publikum sei, und heizt die Menge sehr effizient für die Hauptgruppe auf. Dass das Publikum den Vorschlag der Vorband, noch eine Zugabe zu spielen, mit Begeisterung quittiert, spricht für die Qualität des Dargebotenen. Mit Eihwar haben die Hu einen passenden und wunderbaren Support Act ausgesucht.

Dann kommt die Crew und zieht die schwarzen Tücher von den beiden im Hintergrund bereitstehenden Schlagzeugen und bereits kurze Zeit später betreten The Hu unter dem Jubel der Zuhörenden die Bühne: Gesang, zwei mongolische Pferdekopfgeigen, Bass, zwei Gitarren und zweimal Schlagzeug – The Hu bestreiten ihre Live-Auftritte tatsächlich zu acht! Die eindrucksvollste Präsenz auf der Bühne haben die beiden Pferdekopfgeiger Gala (der außerdem für den brachial anmutenden Untertongesang verantwortlich zeichnet) und Enkush (der ebenfalls auf diese Art singt, nur weniger angsteinflößend als der Kollege), dicht gefolgt von Sänger Jaya, der von allen Bandmitgliedern am ehesten wie ein „normaler“ Metalmusiker daherkommt. Sein Vortrag ist sehr emotional, eindrücklich und energisch, und da er seine Haare als einziger offen trägt, steht ihm eine eigene Windmaschine zur Verfügung, die die Haarfrisur beim Headbangen anständig zur Geltung bringt.

Bereits beim ersten Song haben die Hu das – durch Eihwar wirklich exzellent vorbereitete – Publikum auf ihrer Seite: Live klingen die Mongolen um einiges druckvoller als von Platte, und allein die schiere Präsenz der Riesenkapelle trägt ihren Teil zur martialischen, aber sehr sympathischen Außenwirkung bei. Für alle, die noch nie einen Song von den Hu gehört haben: Bereits die beiden Schlagzeuge (ein „normales“ und eins mit sehr großen und dumpf klingenden mongolischen Trommeln) deuten an, dass Rhythmus eine übergeordnete Rolle spielt, dazu sorgen die beiden elektrisch verstärkten Pferdekopfgeigen für einen ganz eigenen, folkloristischen Sound (so eine Pferdekopfgeige ist quasi ein Kontrabass mit nur zwei Saiten und einem Pferdekopf oben drauf, wobei der Klangkörper nur in etwa so groß ist wie bei einer Bratsche. Eine Pferdekopfgeige wird mit dem Bogen gestrichen – wobei Gala den Bogen auch teilweise nutzt, um auf die Saiten einzuprügeln – und klingt wie der große, böse Bruder einer Geige, der herbeigeeilt kommt, um ihre Feinde zu verprügeln), teilweise wird eine Maultrommel eingesetzt, die zum hypnotischen Charakter vieler Songs beiträgt, und bei einer der beiden Gitarren handelt es sich um deren mongolische Variante, die ein wenig anders klingt und auf coole Art seltsam aussieht, während die andere Gitarre (ein Les-Paul-Nachbau) für den Metal zwischen all dem Folk sorgt und der fünfsaitige Bass ein solides Rock-Gerüst bereitstellt. Der Gesang Galas und Enkush’ ist düster und monoton, während Jaya für die metal-immantente Aggressivität sorgt. Sein Gesang ist aber dennoch eingängig, er vermischt abgehackte Rhythmik aufs Eindrucksvollste mit hymnischen Melodien, außerdem ist es eine Freude, ihm beim Sich-Abarbeiten vor dem Mikro zuzuschauen.

The Hu spielen all ihre Hits – „The Gereg“, „Yuve yuve yu“, „Wolf Totem“, „The Legend Of Mother Swan“, „This Is Mongol“ – ich bin mir lediglich nicht sicher, ob auch „Shoog shoog“ auf der Setlist stand.

Als besonderes Schmankerl wurde in der Mitte des Sets die Hu-Coverversion von Iron Maidens „The Trooper“ dargeboten, eine der besten Coverversionen der gesamten Metalgesichte: The Hu spielen das ikonische Gitarrenriff auf den Pferdekopfgeigen und der Text wird auf Mongolisch dargeboten. Lediglich der „Ohohooo“-Chor wurde unverändert übernommen. Am Ende des Songs raunt Olli mir zu: „Mit Mitsingen war irgendwie nix, mein Mongolisch ist doch etwas eingerostet!“ Wie wahr – man braucht es einfach zu selten.

Als Zugabe spielen The Hu dann eine weitere Coverversion – „Sad But True“ vom letzten guten bzw. erstem schlechten (die einen sagen so, die andern sagen so) Album der großen Metallica, also dem Schwarzen. Und was soll ich sagen – hier gefällt die Coverversion mir besser als das Original.

Gegen halb elf verabschieden sich The Hu nach anderthalbstündiger Spielzeit von einem begeisterten Publikum (nicht ohne vorher kiloweise Gitarrenpicks ins Publikum zu werfen, eine sympathische Geste, leider konnte ich keins auffangen) und ich freue mich über einen tollen Konzertabend und darüber, wie angenehm ruhig und leise mein Auto auf dem Heimweg über die A36 schwebt. Ich hatte nämlich nicht daran gedacht, mir Ohrstöpsel einzupacken, und im Applausgarten gab es leider auch keine zu kaufen.

Mein besonderer Dank für diesen erstklassigen Musiktipp gilt meinem Freund Christof, der mit der Idee, gemeinsam zum Hu-Konzert zu gehen, um die Ecke kam und dann leider doch nicht mitkommen konnte. Weiterhin gute Besserung! Und danke fürs Einspringen, Olli!