Phillip Boa & The Voodooclub – Live im Meier, Braunschweig, am 12. April 2013


Von Matthias Bosenick (13.04.2013)

War das wieder schön. Eine intelligente Tanzparty für alternative Ü30-Musikhörer. Publikum und Entertainer waren gleichermaßen und offenbar sich gegenseitig ansteckend gut aufgelegt und feierten die zurückliegende Jugend und das verheißungsvolle Neue zu gleichen Teilen. Denn Phillip Boa wusste, was die Fans wollten, und brachte darin unter, was er selbst wollte: Der Voodooclub spielte ein Best-Of der früheren Hits und eine Auswahl an Songs des neuen Albums „Loyalty“. Dabei wurde deutlich, wie viel zwingender, nervöser und komplexer die alten Lieder sind und wie aufgeräumt er heute komponiert.

Die Band startete mit „Fine Art In Silver“ und hatte mit diesem Coup direkt die Fans in der Hand. Die gesamten beinahe zwei Stunden über strahlte der Moshpit eine Begeisterung und Hingebung aus, eine unbändige Freude, dass die Band selbst und insbesondere die singenden Mittelpunkte Boa und Pia Lund im Verlaufe der Zeit entkrampften und sich ausgelassener und freier auf der Bühne bewegten. Boa reagierte gelassen auf die diversen Zwischenrufe, die mal mit geshouteten Textzeilen die Lieder so gekonnt ergänzten, dass es dafür Lob vom Meister gab, und die meistens aus Liedwünschen bestanden, die Boa indes abwiegelte, beziehungsweise irgendwann feststellte, dass er an dem Abend 400 Lieder spielen müsste, wenn er alle erfüllte, „oder wenigstens die ersten zwei Sekunden. Oder nur die Ansagen.“ Kiebig wurde er, als ihn ein Fan zur Zugabe in Anlehung an den Wikipedia-Eintrag, Boas richtiger Name laute Ernst Ulrich Figgen, mit „Uli, Uli“-Rufen zurück auf die Bühne lockte. „Fuck Wikipedia“, rief Boa mit ausgestrecktem Zeigefinger, „es stimmt nicht alles, was da steht.“ Die Wünsche ebenjenes Fans würde er ohnehin nicht mehr berücksichtigen. Er grinste dabei und sagte gegen Ende der Show dann: „Und damit ihr seht, dass hier jeder sagen kann, was er will, erfülle ich deinen Wunsch.“ Und spielte „Kill Your Ideals“.

Besonders bei den älteren Stücken zeigten die neuen Voodooclub-Mitglieder, dass sie ihre Geschichtslektionen intus hatten, im Einklang mit Pia und Boa und oft mit der Kraft der zwei Schlagzeuger: Jedes Break saß, jedes noch so vertrackte Element stimmte, auch die Sounddichte und das Tempo, von der Spielfreude gar nicht zu reden. Und Boa wusste, was sein Oldschool-Publikum wollte. Teilweise kannte man die Versionen der Songs nahezu exakt so bereits vom Live-Album „Exile On Valetta Street“, bei „Kill Your Ideals“ etwa mit dem Wechselgeschrei, das Boa mit einem lapidaren „gut“ abschloss. Bisweilen flocht die Band aber neue Unterbrechungen und Soli ein, einen Song intionierte die Band gar im angesagten Post-Rock-Stil.

Bei den neuen Songs waren es eher die Fans, die überraschten: mit solider Textsicherheit. Die Songs des Albums „Loyalty“ sind vergleichsweise zielgerichtet, die verschiedenen Sounds auf verschiedene Lieder verteilt, nicht mehr wie früher innerhalb eines Liedes wechselnd. Interessant war, dass die Band einige Songs deutlich kraftvoller wiedergab als auf CD. Schade indes, dass Boa sein neueres Oeuvre aus den vergangenen 20 Jahren nahezu aussparte, einzig das „ziemlich wütende“ und großartige „Burn All The Flags“ und ein enstpannt-ambientes „Deep In Velvet“ kamen zum Einsatz. Egal, nach dem Abend blieb Boa den Fans ohnehin 375 Lieder schuldig. Als vorletzten Song spielte er außer der Reihe eine ganz spezielle Coverversion, „das darf man eigentlich nicht“, sagte er selbst, machte es dann doch: „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Division, ja, eigentlich darf man das nicht – aber die Band transformierte es in einen Phillip-Boa-Song, in dieser Form hätte das Lied auch von ihm sein können. Nicht das einzige Cover, zuvor sang Pia „Sunday Morning“ von The Velvet Underground. Zuletzt reckte der Dortmunder einen auf die Bühne geworfenen Eintracht-Schal in die Höhe. Ein sympathischer Abschluss eines sympathischen Konzertes.

Zur Eröffnung wiederum hatte Boa einen Klampfenhansel namens Paul James Berry aus dem Vereinigten Königreich dabei. Der arme Kerl versuchte, sich mit spitzen Schreien Gehör zu verschaffen, denn mit der Musik allein gelang es ihm dummerweise nicht: So versiert er auf der Akustischen auch war, seine Songs zwangen das auf Party gepolte Publikum zu sehr zum Zuhören, worauf es sich nicht einließ, sondern plauderte, was den Mann verärgerte, was ihn dem Publikum wiederum noch egaler machte. Musikalisch nett, wäre aber an einem Sonntagabend in einem Irish Pub besser aufgehoben gewesen.

Die Playlist (ohne Gewähr):

Fine Art In Silver
Loyalty
Diana
Want
The Laughing Moon
Sunny When It Rains
Til The Day We Are Both Forgotten
Love On Sale
I Dedicate My Soul For You
Hell
Deep In Velvet
Skull
This Is Michael
Under A Bombay Moon Soon
Burn All The Flags
Ernest 2
Container Love
When The Wall Of Voodoo Breaks

And Then She Kissed Her
Censored!
Albert Is A Headbanger
Sunday Morning
Anne Flies The Love Bomber
Love Will Tear Us Apart
Kill Your Ideals

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