Müller & die Platemeiercombo – Live auf dem Alvar-Aalto-Kulturhaus, Wolfsburg, am 28. August 2012

Von Matthias Bosenick (29.08.2012)

Vor 50 Jahren eröffnete die Stadt Wolfsburg das vom finnischen Star-Architekten Alvar Aalto entworfene Kulturhaus inmitten der Porschestraße. Mit dem „Aalto-Festivaali“ erinnert die Stadt in diesem Jahr daran und veranstaltet ein kunterbuntes Brimboriun, im Rahmen dessen die Lokalhelden Müller & die Platemeiercombo – erklärte Lieblinge der Zuständigen – auf der nach langer Zeit wiedergenutzten und wegen der Band gut gefüllten Dachterrasse des Alvar-Aalto-Kulturhauses spielten. „Passend und angemessen“ fand das Bandchef Müller, der zu Jugendzeiten regelmäßiger Gast der im Kulturhaus residierenden Bibliothek gewesen war und sich Bücher und Platten ausgeliehen hatte. Open Air in diesem Sommer ist ja erfahrungsgemäß ein Wagnis, doch der zunächst verregnete Himmel klarte im Verlauf des stimmungsvollen Auftritts auf und gab den Blick auf einen sich wundervoll verfärbenden Nachthimmel frei.

Müllers erster wie alle weiteren stoisch vorgetragener Witz zündete überraschenderweise nicht: Aalto wäre gerne persönlich zu dem Konzert gekommen, behauptete der Sänger nach dem ersten Lied, doch sei er verhindert, „er ist im Stau steckengeblieben, in Finnland, in der Sauna, im Hormonstau“. Damit schockte er das Publikum gottlob nicht ausreichend genug, um nicht dennoch eine enorme positive Resonanz für die Musik, die Texte und die weiteren witzigen Dialoge mit seinen Bandmitgliedern Plate, Meier und Heyl zu bekommen.

Die fast zweistündige Setlist bediente sich hauptsächlich beim aktuellen Album „…von Müßiggängern und anderen Taugenichtsen“, auf dem Müller seine Teilnahme an der Leistungsgesellschaft verweigert und eben zum Müßiggang aufruft. An einer Stelle charakterisierte er dabei seine Kompositionen ganz treffend: Als eine Mischung aus Prag, mit melancholischen Anleihen an Franz Kafka, und Kuba, mit lateinamerikanischer Fröhlichkeit. Ältester Song war „Geisterfahrer“ vom zweiten Album „Der Mensch am Ende des Holozän“ aus dem Jahr 2005, aus aktuellem Anlass, denn die Band hatte das Stück zum Musikwettbewerb „Riskier nichts“ der Deutschen Verkehrswacht beigesteuert. Ohne Erfolg, „und trotzdem irgendwie cool“. Eine Überraschung hatte das Quartett für sein Wolfsburger Publoikum in Petto: Wie schon auf dem Album, verfeinerte Musikschul-Leiter Matthias Klingebiel drei Stücke auf seiner Oboe. Dafür mussten die Zuhörer dieses Mal auf den lieblichen Gesang von Cora Coriander verzichten.

Erstaunlicherweise untermalte das Wetter den entspannten Bossanova-Swing-Spacerock der Band mit passenden Farben. Noch vor dem Anpfiff tröpfelte es über Wolfsburg, doch dann verzogen sich die grauen Wolken. Je weiter das Konzert voranschritt, desto klarer wurde der Himmel, pünktlich zur Dämmerung. Der Horizont hinter der Balustrade der Dachterrasse verfärbte sich grüngelb bis indigoblau, ehe der Himmel dann Nachtschwarz wurde. Außer der spärlichen Bühnenbeleuchtung kam Licht dann nur noch von der benachbarten Rathausbaustelle, an der tatsächlich noch nach 22 Uhr gearbeitet wurde.

Auch wenn Müller & die Platemeiercombo sicherlich und ungerechtfertigterweise nicht die Erwartungen aller anwesenden Jazzfans erfüllten, gewann die Band mit dem Auftritt doch neue Fans. Den nächsten Auftritt hat das Quartett bei der Braunschweiger Kulturnacht am 15. September.

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