Melancholie bis zur existentiellen Erschöpfung: The Hard Quartet live im Beatpol, Dresden, 15. Juni 2025

Von Onkel Rosebud (15.06.2025)

Sonntagabend in Dresden. Der bisher heißeste Tag des Jahres (32°C) geht mit einem reinigenden Gewitter dem Ende zu. Heerscharen von Touristen schauen auf die Carolabrücke, wie sie langsam zu Staub zerfällt. Die Stadt macht sich bereit für Freiluftgedöns und Erregung öffentlicher Langeweile bei den Filmnächten am Elbufer. Dieses Jahr haben sich die Veranstalter gedacht, Ski Aggu, Nina Chuba, Johannes Oerding, Provinz, Die Vier Komischen Fünf aus Stuttgart und Sido wären als Pentobarbital-Substitut für die Masse eine gute Idee. Deshalb freut es meine Konzertgruppe und mich umso mehr, dass der altgediente Indie-Schuppen mit dem Siegel für Geschmackssicherheit namens Beatpol, formerly known as Starclub, nach der Corona-Zeit wieder mit einem Programm in alter Stärke aufwartet. Dieser reine Konzertklub ist eine Instanz dieser Stadt, hat seit Anfang der Neunziger für uns quasi das Wohnzimmer verlängert und diverse Sternstunden der Daseinsbewältigung inklusive Melancholie bis zur existentiellen Erschöpfung bereitgehalten, wie zum Beispiel den Auftritt von NoMeansNo anno 2016.Wowee Zowee, war der schön.

Gestern also lief da der nicht mehr so richtig gutaussehende John Spencer und seine Reste der Blues Explosion und heute waren The Hard Quartet angesagt. Die Formation besteht aus vier Titanen des US-Alternative-Rock. Im Grunde sind es Musiker mit relativem Kultstatus aus der zweiten Reihe. Man könnte sie auch als eine wunderbar unkonventionelle Supergroup der etwas anderen Art bezeichnen. Emmett Kelly, ein Songwriter, Gitarrist und Sänger, der aus dem Umfeld von Will Oldham aka Bonnie „Prince“ Billy bekannt ist, Matt Sweeney von Chavez, Guided By Voices und Cat Power sowie Jim White aus der Begleitband von Bill Callahan. Dazu Stephen fucking Malkmus. Wem dieses Namedropping zu nerdig ist, einfach mal „Gold Soundz“ in die Lieblings-Suchmaschine eingeben. Dazugehöriges Video angucken und mit mir übereinstimmen, dass Gottes Werk und Pavements Beitrag die 90er Jahre musikalisch erträglich gemacht haben. Da reimte sich noch „Remember“ auf „December“. Wowee Zowee, da war die Welt noch in Ordnung. The Hard Quartets gleichnamiges Debütalbum vom letzten Jahr knistert jedenfalls mit der Behaglichkeit des Lagerfeuers aus Grandaddy und Superchunk und machte mit 15 Songs und einer knappe Stunde Spielzeit Lust, sich das live anzuschauen. Außerdem haben die vier alten, weißen Helden gemeinsam, dass sie in der Vergangenheit einen ausgeprägten Sinn für Kollaborationen unter Beweis stellten. Spielfreude und Lust am kreativen Austausch, Selbstverständnis als Band, fuzziger Gitarrenwirbel mit zarten Anleihen an Gitarrenpop der 60er-Jahre unter LoFi-Gesichtspunkten lag in der Luft. Wenn man so will, eine intime Version von Grateful Dead mit leichten Country-Elementen.

Die Vorband Dragged Up aus Glasgow war schon mal ein Grund für die Konzertgruppe, pünktlich zu erscheinen. Versprachen sie doch zersplitterten Lärm aus der „EVOL“-Ära von Sonic Youth. Und lösten es nicht ein.

Malkmus, Sweeney, Kelly und White mit annähernd 60 Jahren sind eigentlich viel zu alt, um es in etwas so Kindischem wie einer Band noch mal wissen zu wollen. Mit The Hard Quartet live trafen sie Neil Young im Delta-Blues-Post-Punk-Modus. Melancholie bis zur existentiellen Erschöpfung wurde in feinsinnigen Gitarrendialogen bis zur zweiten und dritten melodischen Ebene exerziert. Düstere Psychedelik trifft auf den windschiefen Gesang von Stephen Malkmus. Ich habe es so vermisst. Er singt in einem Song poetisch über die Sterblichkeit und im nächsten über die Gruppendynamik beim Paddeln. Herrlich! Es ist wie Pavement auf LSD. Wer’s aufgeräumt und eindeutig mag, war hier falsch. In Dresden, an einem viel zu warmen Sonntagabend.

Onkel Wowee Zowee Rosebud